Piemont - zu Füssen der Berge

  • Das Piemont, lat. „pedes montium“ - zu Füßen der Berge - bietet fahrerische, landschaftliche und kulinarische Genüsse in einer Region, die für ihre weißen Trüffel, „Mon Cheri“-Kirschen und ihre Weine bekannt ist. Die Langhe, die ‚Toskana Piemonts‘, ist dabei ebenso reizvoll wie die abgelegenen und ursprünglichen Täler der italienischen Westalpen.


    On the road to Italy


    Es ist ein Samstag im September. Noch 100 km bis zum Zwischenziel in Beaune. Entspannt rolle ich in Frankreich auf der A31 und ziehe meine Honda Silver Wing hinter mir auf dem [Blockierte Grafik: http://motorroller-info.de/ass…ages/20230909_163920b.jpg]Trailer südwärts. Plötzlich ein metallisch schleifendes, „ungesundes“ Geräusch hinter mir. Von 100 auf 0 Km/h in gefühlten 3 Sekunden. Der Rundgang auf dem Seitenstreifen gibt Gewissheit - vom linken Reifen des Trailers sind nur noch Fetzen übrig. Wer sich jemals über eine unverständliche Durchsage am Kölner Hauptbahnhof beschwert hat, wird dies niemals wieder tun, wenn er mal an einer Notrufsäule an einer französischen Autobahn bei 35 Grad gestanden hat. Meine französische Gesprächspartnerin hätte auch chinesisch sprechen können, es war (fast) nichts zu verstehen. Dennoch dauert es gefühlt keine 10 Minuten, dann ist die Straßenwacht vor Ort. Montag oder Dienstag sei mit einer Reparatur zu rechnen; dann sehe ich meinen Anhänger samt Honda Silver Wing auf der Laderampe des Werkstattwagens am Horizont entschwinden.

    Wir müssen also etwas umplanen. Glücklicherweise ist unser Zimmer in Beaune noch 2 Nächte länger frei. Email nach Italien, dass wir erst später kommen können. Am Montag sind tatsächlich 2 neue Reifen da, dafür bin ich 300 € ärmer. Beaune ist zwar eine sehenswerte Stadt, dennoch sind wir froh, als es am nächsten Morgen endlich weitergeht. Noch einmal werden wir zur Kasse gebeten. Die 12.870 m lange Röhre des Fréjus-Straßentunnels, welche die Pointe de Fréjus (2.932 m) im Mont-Cenis-Massiv unterquert und Modane im Hochsavoyen (Frankreich) mit Bardonecchia im Piemont (Italien) verbindet, macht uns 51 € (!) ärmer; da muss man schon schlucken. Am späten Nachmittag erreichen wir dann ohne weitere Zwischenfälle unsere Unterkunft, das Agriturismo „Locanda dei Cacciatori“ in Somano.


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    Colle Fauniera, Colle dei Morti oder Col Cuneo?


    Wir rollen durch die Ebenen des nördlichen Piemont. Das Land um die Provinzhauptstadt Cuneo ist flach und unspektakulär. Spannung erzeugen lediglich die in schöner Regelmäßigkeit an den Ortsein- und Ortsausgängen stehenden, orangefarbenen Blitzer.

    Es zieht uns zum „Colle Fauniera“, einen der spannendsten und schönsten Pässe in Norditalien, der aber dennoch (noch) als Geheimtipp gilt.

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    Vor uns sollte sich eigentlich das Bergpanorama der Seealpen erheben, doch die Berge der „Cottischen Alpen“ verstecken sich in einer dichten Wolkenwand. Dann plötzlich, als ob ein Hüne alle Hügel ins Landesinnere geschoben hätte, wachsen Erhebungen aus der Erde empor, eine nach der anderen. In Demonte im Tal des Flusses Stura zweigt das Seitental Vallone dell’Arma ab. Hier beginnt der Anstieg zum Colle Fauniera, auch Colle dei Morti oder - um die Verwirrung komplett zu machen - auch als Col Cuneo bezeichnet. Der Fauniera ist kein Übergang mit klangvollem Namen, kann es aber mit den berühmteren französischen Nachbarn wie dem Col de la Bonette, dem Col de Vars oder dem Col de Cayolle locker aufnehmen.

    Zunächst schlängelt sich das Sträßchen relativ gemütlich den Berg hoch. Vereinzelte Häuser, die still und leer erscheinen, stehen am Wegesrand. Der Verkehr beschränkt sich auf einen gelegentlich entgegenkommenden Fiat 500. Wir gewinnen an Höhe, erreichen die Wolken und dann umgibt uns eine trübe Nebelsuppe, die uns die nächsten Kilometer begleiten wird. Ich fahre fast mehr nach Gehör als auf Sicht. Kein Wind, kein Mensch, keine Fahrzeuge; nichts, außer ein paar scheuen Murmeltieren. Das rissige, nur von unzähligen Teerflicken zusammengehaltene Sträßchen ist streckenweise schmal, sehr (!) schmal, was ich auch am [Blockierte Grafik: http://motorroller-info.de/ass…ages/20230917_131849b.jpg]zupackenden Griff der besten Sozia der Welt merke. Der Asphalt ist rau wie eine Kuhzunge. Gelegentlich liegen Felsbrocken auf der Fahrbahn. Der piemontesische Riese „Colle Fauniera (Colle dei Morti)“ genießt den etwas zweifelhaften Ruf, dass sich seine Passstraße in Auflösung befände. Dem würde ich - zumindest was die Südauffahrt von Demonte aus betrifft - nicht widersprechen wollen. Die Strecke ist dennoch sowohl fahrerisch als auch punkto Landschaft jeden Kilometer wert! Mit jedem Kilometer werden die Hänge steiler, die Felsen schroffer. Kurve um Kurve zieht es die 600er Silver Wing dem Pass entgegen. Wir nähern uns stetig dem 1.840 m hohen „Colle di Caccia“, der als solcher allerdings leicht zu verpassen, da im Grunde ein Scheitel kaum vorhanden ist.

    Je höher wir kommen, umso mehr weichen die Bäume zurück und mit ihnen der Nebel. Sonne durchbricht den Dunst. Der Blick ist nun frei auf kantige, von kleinen Wolken umspielte Berggipfel, vereinzelte Schotterhänge und braun-grüne Almen. Das Teerband führt uns in ein Hochtal mit schönen, gut einsehbaren Kurven. Am „Colle Valcavera“ (2.421 m), von dem in Westrichtung die bis zum „Colle del Preit“ (2.083 m) führende „Maira-Stura-Kammstraße“ abzweigt, lasse ich den Motor der Siwi verstummen. Tiefe Einsamkeit umgibt uns hier oben und eine wunderbare Natur. Hier könnte man ewig verweilen, doch „der Berg ruft“. Wenige 100 m weiter kommt uns bergseitig ein Jeep entgegen. Meine Sozia entscheidet sich spontan abzusitzen und ein Stück zu Fuß zu gehen, während die Siwi im Schneckentempo daran vorbei kriecht. Tipp: nie in den Abgrund schauen! Kurz darauf stehen wir mit unserem Scooter auf dem Scheitel des „Colle Fauniera“ (2.481 m) und lassen unsere Blicke in eine unendliche Weite schweifen. Im Tal weiße Wolkenbänke. Ein echtes Traumpanorama.

    Auf der Passhöhe steht sogar ein Denkmal für den 2004 verstorbenen italienischen Radrennfahrer Marco Pantani; eine lebensgroße Statue, die „Il Pirata“ auf seinem Rad darstellt.

    Wir überwinden den „Colle del Vallonetto“ (2.447 m) und genießen am Rifugio Fauniera in der Herbstsonne ein leckeres Schinkenbrot.

    Auf der Abfahrt zum „Colle d’Esischie“ (2.370 m), der in einer markanten Einkerbung zwischen dem Rocce Ciarmetta (2.553 m) und dem Monte Pelvo (2.555 m) liegt, öffnet sich uns ein herrlicher Ausblick westwärts in den Talkessel des Marmoratals und die umgebenden Berge (Monte la Bianca 2.745 m, Becco Grande (2.775 m).

    Wo kann man schon mal ein Quartett solcher Passgiganten auf einen Streich erleben - noch dazu in solch einer grandiosen Landschaft?

    Videos, GPS-Dateien, Bilddergalerien und mehr findet ihr auf meiner Homepage

  • Hallo Ralf ,
    wir sind schon öfters über den Lombarde , Morti , Sampeyre und Agnello gefahren !
    Dort ist so gut wie kein Verkehr und mit etwas Glück ergibt sich ein schöner Blick ins Italienische .
    Eigentlich schon schön , daß diesen Weg - außer Radfahrer - so gut wie keiner auf dem Schirm hat !
    Natürlich ist das keines Falles was für Leute - die es flott angehen lassen wollen , da es mit einem entgegenkommenden Auto schon eng werden kann . Selbst von anderen Mopedfahrern ist man weitestgehend verschont - obwohl der Agnello mit seinen 2744 m üNN den dritthöchste asphaltierte Paß in den Alpen darstellt .
    Bei Morti mit Sampeyre muß man auch immer mit Sperrungen rechnen , da es ausgesprochene Nebenwege sind und seltenst - trotz Bedarf gleich repariert werden .
    2022 war der Cuneotunnel noch gesperrt , da - ich glaube 2016 - ein Unwetter dahinter die straße mit 17 Brücken weggerissen hatte !
    Wenn ich es noch richtig in Erinnerung habe war jede Stunde für 15 Minuten der Col de Tende mit seinen 1871 m auf der Südseite zur Durchfahrt geöffnet .
    Meines Wissens nach waren sie von 2019 bis 2022 noch nicht fähig die Tankstelle in Sospel wieder in Betrieb zu nehmen .
    D.h. - bis zur nächsten Tanke sind es dann ja nur ca. 25 km .

    Westlich von Sospel - Able , Orne , Stroch und Porte sowie Utenelle sind genauso vergessene Wege .
    Dort kann einem - in einer halben Stunde - u.U. niemand begegnen .
    Gruß Kurt