Dienstag, 17.09.2019
Rumwälzen und nochmal wegratzen verspricht wenig Aussicht auf Erfolg, also schlurfe ich um 06:45 in Jogginghose und Shirt von gestern schon mal runter in die Hotellobby. Kaffee ist aber noch Fehlanzeige. Egal, raus und zumindest schonmal ein Lungenbrötchen einwerfen und den Morgen am See genießen.
Lediglich ein paar Jogger und ein einsamer Müllmann sind schon untewegs, der mich verständnislos anschaut, als ich ihm ein gut gelauntes "Buongiorno!" entgegenschmettere. Freundlichkeit ist er wohl nicht gewohnt. Ich bleibe an der Promenade und lese auf meinem Mobile Nachrichten bis 07:30. Es wird Zeit die Klamotten zusammen zu packen und Scarlett abfahrbereit zu machen. Auch die Kette bekommt eine Ladung Liebe und um 08:00 bin ich abfahrbereit, aber noch unterfrühstückt. Nun erlebe ich die erste Enttäuschung des Tages: das Frühstück ist selbst für italienische Verhältnisse unterwältigend, aber immerhin ist der Kaffee gut.
Beim Auschecken stehen auf meiner Rechnung eiskalt €60,--. Lächelnd lege ich €50,-- auf den Tresen, meine dazu "Esatto", hole mein Mobile raus und bewerte das Hotel mit einem Stern, sage gracie per niente und bin weg. Elvis has left the building. Hinter mir höre ich Gekeife, vermutlich ein alter Fluch, der mir dreimal pro Nacht Harndrang bescheren, mich aber nur zweimal wach werden lassen soll. Drauf gesch....., los gehts am See entlang, dieses Mal mit Naviunterstützung. Die ich direkt wieder ausschalte, weil ich keine Lust habe in irgendwelchen Hinterhöfen zu landen. Adventure Modus ist manchmal ein Segen, meistens aber ein Fluch.
Bis Cannobio cruise ich geschmeidig dahin, dann wird es Zeit für die erneute Zufuhr von Flüssigkeit in Form von Brauner Brühe und etwas Wasser. Den Handymast in Nachbars Garten ignoriere ich mal, ich will eh keine Kinder.
Leider habe ich keine andere Wahl, als durch Locarno zu fahren, was ich aber für einen Tankstop nutze - der Sprit ist hier einfach günstiger, als in Italien. Weiter geht es durch Bellinzona und Biasca in Richtung Lukmanierpass, bei Ludiano lege ich nochmal eine kurze Tschick- und Trinkpause ein, bevor es dann bei Blenio auf den Lukomagno geht.
Tja, was soll ich sagen... entweder bin ich von gestern zu verwöhnt, oder der Pass ist einfach doof. Über weite Strecken besteht die Fahrbahn aus in den 80ern sehr beliebten Betonplatten, was alle drei Meter einen leichten Ruck in den Handgelenken bedeutet und auf Dauer nicht wirklich angenehm zu fahren ist. Außerdem ist die Strecke irgendwie langweilig. Die französischen Alpen waren da doch deutlich schöner. Hinzu kommen diverse Baustellen mit Ampeln, die das Heranfahren registrieren und bei fehlender Rückmeldung der Gegenstelle auf grün schalten. Man steht zumindest nicht lange. Trotzdem, das hier ist abgesehen vom Hotel der letzten Nacht das Lowlight der Tour und ich quäle mich hoch zum Pass.
Der "günstige" Aufkleber vom kleinen St. Bernhard hat scheinbar auch schon ein paar Jahre in der Schublade gelegen, entsprechend wird er auch direkt wieder entsorgt. Muss ich halt nochmal hin. Irgendwann nächstes Jahr.
Aufgesattelt und weiter. Im Tunnel hinter der Passhöhe hat es auch eine Baustelle, allerdings ohne Ampel und so springt mir unvermittelt eine Fahnenschwenkerin mittig auf der Fahrbahn und direkt hinter einer Kurve vor die Räder, die ich beinahe erwische. Mann, mann, mann. Ich muss nur kurz warten, allerdings dauert es hinter dem Tunnel auch nicht lange, bis ich in der nächsten Baustelle in einer Kolonne stehe. Komischerweise kommt aus der Gegenrichtung immer mal wieder Verkehr, ohne dass unsere Ampel zwischendurch auch mal auf grün schaltet. Nach 10 Minuten fahre ich vor, werde von einem 5er BMW mit deutschem Nummernschild angehupt, aber mein Gefühl trügt mich nicht: der Kollege mit dem Roller, der an erste Stelle steht, ist nicht nahe genug rangefahren und hat den Sensor nicht ausgelöst. Als ich mich vor ihn Reihe blinkt es kurz an der Ampel und nach nichtmal 20 Sekunden schaltet die Ampel auf Grün und ich gebe Stoff.
Bis kurz vor Chur schwimme ich entspannt mit dem Verkehr mit, bei Domat zwingt eine Straßensperrung mich kurzzeitig auf die Autobahn. Es föhnt allerdings brutal und schüttelt mich gut durch, also fahre ich in Chur wieder runter - sonst wäre ich in knapp 45 Minuten zu Hause gewesen. Macht aber keinen Spaß mit den unberechenbaren Winden. Also wieder runter von der Autobahn und ganz gemütlich über Landquart in Richtung Maienfeld, wo ich rechts abbiege zum Luzisteig um mal wieder an Scarlett´s Lichtmaschinen-Gedenkschrein vorbeizufahren. Na ja, eigentlich eher um nochmal ein paar Kurven unter die Räder zu bekommen und etwas flotter fahren zu können.
Bis Feldkirch sind es dann nur noch knapp 30km, ich biege erneut ab auf die Autobahn, dieses Mal aber auf Ösi-Seite und brezel durch bis Hohenems, fahre noch ein paar km Landstraße und finde mich alsbald im Endpunkt fast jeder Tour wieder: dem Gastgarten im Walhalla-Stüble am alten Rhein kurz vor Lustenau. Scarlett und ich haben nach knapp 1300km fertig.
Scarlett bekommt im Anschluss an meine Hopfenkaltschale noch schnell eine Dusche in der Waschbox verpasst und dann bin ich auch schon wieder im Alltag angekommen. Schön war´s.
Hier noch die Tour, so wie ich sie gefahren bin. Der Export ins .gpx-Format stammt ursprünglich aus der App "MyTrack".