Fahrbericht: Yamaha Tracer 9 GT

Yamaha Tracer 9 GT - Siegertyp?


Die Unterscheidung zwischen Tourensport-Motorrädern und Sporttourern war schon immer zumindest unscharf, oftmals nicht möglich. Zumeist liegt bei den jeweiligen Fahrzeugen jedoch die Betonung der Kernkompetenz auf der zweiten Worthälfte: Tourensportler basieren also eher auf einem Sportler, Sporttourer beherrschen das Touren besonders gut. Dieses Ziel hatte Yamaha bei der Neuauflage der halbverkleideten Tracer mit dem knapp einen Liter großen Dreizylindermotor fest im Visier.


Hieß das Vorgängermodell, seit 2018 am Markt, noch Tracer 900 und wurde vom 847 Kubikzentimeter großen Triple aus dem Basismodell MT-09 angetrieben, weist die nun Tracer 9 GT heißende Maschine nun einen neuen, 890 Kubikzentimeter großen Motor auf. Rundum kräftiger ist er, doch auch vieles andere ist neu entwickelt worden. Sogar semiaktiv arbeitende Radaufhängungen hat Yamaha seinem Dreizylinder-Tourer spendiert. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, auch wenn es vor der ersten Fahrt eine Einstiegshürde in Höhe von zumindest 14.000 Euro zu überspringen gilt.


   


Grundlage der seit April verfügbaren Tracer 9 GT ist, wie schon in der Vergangenheit, die Yamaha MT-09. Dieses Nakedbike, mit 189 Kilogramm Leergewicht extrem schlank und agil, kann enorm viel, weist aber keine nennenswerte Touren- oder gar Zweipersonen-Eignung auf. Deshalb hat Yamaha die Schwinge um gut sechs Zentimeter verlängert und so mehr Platz generiert.


Weitere technische Änderungen: Mehr Federweg an der Hinterhand zugunsten von mehr Fahrkomfort, ein von 14,5 auf 18 Liter vergrößerter Tank für mehr Reichweite und eine Wahlmöglichkeit bei der Sitzhöhe. Weil auch eine Halbverkleidung samt verstellbarem Windschild entwickelt worden ist, steigt zwangsläufig das Fahrzeuggewicht, und zwar um 31 auf nun 220 Kilogramm; die ungewöhnlich geformten Seitenkoffer kommen noch dazu.


Doch auch mit 230 Kilogramm darf man die Tracer 9 GT noch als sehniges, hochagiles und leicht fahrbares Motorrad bezeichnen. Außer dieser Version gibt es noch die Tracer 9; ihr fehlen allerdings wesentliche Ausstattungsdetails wie das semiaktive Fahrwerkssystem, die Seitenkoffer und der Schaltassistent.


Sehr angenehm zeigt sich der neue, nun 87,5 kW/119 PS bei 10.000 U/min. leistende Motor. Vor allem das kräftig gestiegene Drehmoment im mittleren Drehzahlbereich beeindruckt. Maximal werden 93 Nm bei 7.000 U/min. Trotz hoher Drehfreude des Triple fährt man gerne auch mit niedrigen und mittleren Drehzahlen, Schalthektik ist nicht angebracht. Wobei die Tracer 9 GT Gangwechsel besonders leicht macht, ist ein gut funktionierender Quickshifter zum kupplungslosen Schalten doch serienmäßig.


Eine echte Rundum-Versorgung bietet Yamaha bei der Elektronik. Dank Sechsachsensensor ist vom Kurven-ABS über die schräglagenfähige Traktionskontrolle bis hin zur Slide-Control und zum Vorderrad-Lift-System alles geboten, was technisch derzeit möglich ist. Die Einstellung der insgesamt drei Fahrmodi ist einfach und auch in Fahrt möglich. Das Bremskontrollsystem bietet ebenfalls eine Wahlmöglichkeit. Zudem sind vier Modi für das Motor-Ansprechverhalten vorhanden, um unterschiedliche Fahrertypen anzusprechen. Ebenfalls serienmäßig ist ein sehr fein regelnder Tempomat. Natürlich ist die Ausrüstung mit elektronischem Gasgriff Voraussetzung für diese Technik. Mit zehn Regelstufen bietet die Griffheizung enorme Auswahl.



Mit einem Normverbrauch von fünf Litern auf 100 Kilometer ist die Tracer 9 GT kein Säufer; wer den Aspekt „Sport“ nicht gänzlich außer Acht lässt, muss mit einem halben Liter mehr rechnen. Dank des 18 Liter fassenden Tanks sollten aber 300 Kilometer am Stück stets möglich sein. Außer man jagt mit der bei Bedarf 218 km/h schnellen Maschine häufiger über die Autobahn oder vergisst permanent das Schalten.


Der neue, deutlich leichtere Aluminiumgussrahmen sorgt für einwandfreie Stabilität bei höheren Tempi, hat aber auch Talent zum freudvollen Kurvenräubern. Dazu trägt die sehr gelungene Ergonomie bei; Sitz, Lenker, Fußrasten und der verstellbare Windschild passen prima. Wobei ein Extralob dem Soziussitz gebührt; Mitfahrer sind perfekt untergebracht. Ein wesentlicher Grund für das sehr angenehme Fahrverhalten liegt an der semiaktiven Radaufhängung: Das System spricht schnell und feinfühlig an und ist einer mechanischen Radführung deutlich überlegen. Spürbar ist das insbesondere auf Straßen mit mäßigem oder gar schlechtem Belag.



Weniger Gefallen fanden wir an der Instrumentierung; das Doppel-Display spiegelt gerne, die Ziffern und Lettern im linken Teil sind arg klein geraten und die Bedienung bedarf ungewöhnlich umfangreicher Übung. Dass keine Smartphone-Einbindung gegeben und demzufolge auch keine integrierte Navigation möglich ist, verwundert. Das Kurvenlicht könnte besser sein, das Abblendlicht scheint lediglich aus dem rechten der beiden kleinen Scheinwerfer und es fehlt eine automatische Blinkerrückstellung.


Klar im Vordergrund steht aber das gelungene Gesamtpaket: Die Tracer 9 GT fährt unter allen Bedingungen und auf Straßen aller Art sehr gut, das Triebwerk wie das Fahrwerk und auch die Dreischeiben-Bremsanlage überzeugen. Insofern dürfte es kein Problem sein, am Jahresende mit der Tracer 9 GT wieder unter die 15 in Deutschland bestverkauften Motorräder vorzustoßen.




Yamaha Tracer 9 GT - Technische Daten:


Motor: Flüssigkeitsgekühlter Dreizylinder-Reihenmotor, 890 ccm Hubraum, 4 Ventile pro Zylinder, 87,5 kW/119 PS bei 10.000 U/min., 93 Nm bei 7.000/min; Einspritzung, 6 Gänge, Kette.


Fahrwerk: Aluminiumguss-Brückenrahmen; 41 mm USD-Telegabel vorne, voll einstellbar, 13 cm Federweg; Leichtmetallguss-Zweiarmschwinge hinten, Zentralfederbein, Vorspannung und Zugstufendämpfung einstellbar, 13,7 cm Federweg; Leichtmetall-Gussräder; Reifen 120/70 R 17 (vorne) und 180/55 R 17 (hinten). 298 mm Doppelscheibenbremse vorne, 245 mm Einscheibenbremse hinten.


Assistenzsysteme: Fahrmodi, Kurven-ABS, einstellbare dyn. Traktionskontrolle, Slide-Control, Lift Control vorne, Bake Control System, Zweiwege-Quickshifter.


Maße und Gewichte: Radstand 1,50 m, Sitzhöhe 81/82,5 cm, Gewicht fahrfertig 220 kg; Tankinhalt 18 l.


Fahrleistungen: Höchstgeschwindigkeit 218 km/h, Normverbrauch 5,0 Liter/100 km.


Farben: Blau, Rot, Schwarz.


Preis: ab 14.000 Euro

Kommentare 3

  • In 2017 habe ich mir eine Yamaha Tracer 900 zugelegt. Die 600er Diversion hatte mir zwar viele Jahre gute Dienste geleistet, hatte jedoch kein ABS.


    Auf der Tracer habe ich mich sofort sehr wohl gefühlt - auch die Sozia ist begeistert. Die Fahrleistungen und Fahrverhalten sind für mich optimal (viele Kurven, keine Raserei).


    Das Standgeräusch kommt mir nicht so laut vor - das Fahrgeräusch schonmal gar nicht, da ich die Gänge nicht bis zum Anschlag hochjuble. Schräg gegenüber „wohnt" eine Ducati Panigale 4 da ist die Tracer wahrlich ein „Flüsterhobel".

  • Was leider in den Technischen Daten fehlt ist das Standgeräusch von 96dB. Sowas sollte in der aktuellen Zeit nicht mehr vorkommen das ein Motorrad die 95dB überschreitet zumal das Theater in D A CH F immer größer wird was Motorradlärm angeht.

    Ich werde sie nächste Woche trotzdem Probefahren und dann warten wir mal auf das Facelift und kucken was sich verbessert

    • Das finde ich auch unpassend,zumal meine Tracer ,BJ.15 noch mit unter 95 db(A)angegeben ist.Fahrgeräusch bei der "Neuen "GT 75 db(A)