Fahrbericht: Moto Guzzi V7


Niemand hätte sich gewundert, wenn die frisch renovierte Moto Guzzi V7 unter der Modellbezeichnung V7 IV auf den Markt gekommen wäre, hieß doch das zuletzt gebaute Modell V7 III. Doch am Firmensitz in Mandello del Lario am Comer See entschied man anders: „Wir stellen die Uhren zurück und fangen wieder von vorne an“, hieß die Losung – und so trägt die jetzt mit einem um 110 Kubikzentimeter größeren V2-Motor ausgerüstete Maschine wieder die schlichte Typbezeichnung V7, ohne jeden Zusatz. Der Hinweis auf den größeren Motor findet sich lediglich auf der ab 10.100 Euro lieferbaren Special in Form eines Tank-Aufklebers; die Version Stone,stets matt lackiert und etwas zeitgeistiger als die klassisch aussehende Special, bleibt jeden Hinweis auf ihr erstarktes Herz schuldig. Die Stone kostet 9.100 Euro.


Der neue Motor ist von dem in der noch jungen Reiseenduro V85 TT eingebauten Triebwerk abgeleitet. Man hat dem luftgekühlten Zweiventil-V2 die Schärfe von 80 PS genommen und die Leistung auf 48 kW/65 PS reduziert; für Fahrwerk und Bremsen der V7 wäre der stärkere Antrieb möglicherweise zu viel gewesen.


Doch auch so, mit 65 PS bei 6.800 Touren, liegt die verfügbare Leistung um 25 Prozent höher als bei der V7 III; die musste mit 50 PS und 60 Newtonmeter Drehmoment aus 744 Kubikzentimetern Hubraum auskommen. Auch das maximale Drehmoment liegt bei der V7 um 21 Prozent höher; es beträgt nun 73 Nm und liegt bei 5.000 U/min an.


Der neue Motor ist ein echter Fortschritt: Insbesondere an Steigungen, aber auch im Zweipersonenbetrieb ist man weitaus entspannter, weil souveräner unterwegs. Das für einen Zweiventiler prächtige Drehvermögen des V2 – der Begrenzer wird erst bei 7.200 U/min. tätig – nutzt man in der Praxis bei weitem nicht aus, denn am wohlsten fühlen sich Motor und Fahrer zwischen 3.000 und 5.000 Touren. Da schnurrt die Maschine zufrieden und der Fahrer freut sich des kurvenreichen Lebens.


 


Grund zur Zufriedenheit hat er auch wegen einiger anderer Änderungen, die der neuen Moto Guzzi V7 zuteilgeworden sind. So findet sich am Fahrwerk eine neue Leichtmetallschwinge, der Rahmen wurde zwecks mehr Stabilität verstärkt und die hinteren Stoßdämpfer neu am Chassis angelenkt.

Deutlich mehr Federweg, nämlich 12 statt nur 9 Zentimeter, bieten sie obendrein. Was dem Komfort insbesondere auf den oft übel malträtierten italienischen Stadt- und Landstraßen ausgesprochen zuträglich ist. Guzzi montiert zudem eine neue ABS-Generation von Conti, die ausgesprochen feinfühlig regelt, wenn’s denn mal sein muss.


Die beiden Scheibenbremsen, je eine vorne und hinten, machen ihre Sache zufriedenstellend und wären noch besser zu bedienen, wenn Guzzi sich nicht eine Griffweitenverstellung gespart hätte. Mindestens drei Finger am Hebel benötigt die Frontbremse aber in jedem Fall, wenn hart verzögert werden muss. Vorteilhaft wären auch ein einstellbarer Kupplungshebel und eine Warnblinkanlage sowie selbstrückstellende Blinker.



Am besten passt zur V7 ein Fahrstil mit der Charakteristik „entspannt-souverän-zügig“; ein Sportler war diese Guzzi nie in ihrer Geschichte und sie wird auch nie einer sein. Genug Kraft fürs Fahren in hohen Gängen ist jetzt vorhanden, viel Schalten ist nicht nötig, wobei das Getriebe leichtgängig und präzise arbeitet. Insofern wird man mit dem schon in der historischen V7 Sport eingebauten 21 Liter-Tank zumindest sichere 350 Kilometer ohne Nachtanken fahren können.


Fahrkomfort und Ergonomie sind insgesamt stimmig. Man sitzt entspannt, die Vibrationen in den Füßen sind dank neuer Fußrasten praktisch verschwunden. Einen Windschutz gibt es nicht, die Lenkstange ist kommod geformt, der Kniewinkel passt für alle zwischen 1,65 und 1,95. Der neue Sitz ist fein gepolstert und stilsicher gestaltet samt Namensschriftzug am Heck. Die Fahrstabilität ist in Ordnung, auch die Rückmeldung in Kurven ist gut; der zwei Zentimeter breitere Hinterreifen bringt fühlbares Wohlbefinden in Schräglage.


Als Special spricht die Moto Guzzi V7 primär jene Fahrerinnen und Fahrer an, die Freude an klassischen Motorrädern haben. Ihr Lack glänzt, ihre neue Auspuffanlage ist verchromt, auch die gut nutzbaren Rückspiegel und der stabile Sozius-Haltegriff blinken. Und ihre beiden analogen Rundarmaturen im Cockpit sind ausgesprochen stilsicher gestaltet; das kleine LC-Display stört das Auge nicht, bringt aber eine Menge Information. Das leicht gelbliche, wenig auffällige Scheinwerferlicht entstammt einer Halogen-Glühbirne, die Möglichkeit zur Smartphone-Einbindung ins Fahrzeug bietet die Special nicht.



Diesbezüglich ist die stets matt lackierte V7 Stone zeitgemäßer. Chrom ist Fehlanzeige, Schwarz dominiert. Umso heller strahlt das LED-Licht aus dem natürlich weiterhin runden Scheinwerfer, in dem sogar ein Tagfahrlicht in Form der Guzzi-Adlerschwingen integriert ist. Weitere Merkmale der Stone sind ein nicht besonders gut ablesbares, kreisrundes LC-Display im Cockpit und Gummi-Faltenbälge an der Gabel.


Die Stone ist zudem für den Einbau der Moto Guzzi Konnektivitäts-Plattform vorgesehen, MIA genannt; im Preis liegt sie einen Tausender unter der Special. Die Entscheidung zwischen den beiden Versionen ist Geschmackssache. Nur dieses Jahr gibt es die in Sonderlackierung silber-grün mit braunem Sitz gehaltene Stone Centennario; sie kostet 200 Euro mehr als die Basis-Stone.


Die Moto Guzzi V7 des Baujahres 2021 passt perfekt in die Historie des Hauses: Sie wirkt stilsicher und gepflegt und deshalb insgesamt wertig; aufgesetztes Gehabe ist nicht zu finden. Allerdings hat sie einen „Pickel auf der Nase“: Die beiden Lambdasonden sitzen arg unglücklich bestens sichtbar auf den sonst so schönen Auspuffkrümmern.


Zum Glück nur ein Schönheitsfehler. Wichtiger ist, dass das Fahren und Hören – der Sound der neuen Schalldämpferanlage ist dezent bassig – den Fahrer unmittelbar in den Gute-Laune-Modus versetzen. Und dass den Augen viel Charakteristisches geboten wird; immerhin feiert Moto Guzzi am Gründungsort Mandello dieses Jahr den hundertsten Geburtstag.


Moto Guzzi V7 Special (Stone in Klammern) - Technische Daten:


Motor: Luftgekühlter 90°-V2 Motor, quer eingebaut, 853 ccm Hubraum, zwei Ventile pro Zylinder, 48 kW/65 PS bei 6.800 U/min., 73 Nm bei 5.000 U/min; Einspritzung, 6 Gänge, Kardan.


Fahrwerk: Doppelschleifen-Stahlrohrrahmen, 4 cm Telegabel vorne, 13 cm Federweg; Aluminium-Zweiarmschwinge hinten, zwei Federbeine, Vorspannung einstellbar, 12 cm Federweg; Drahtspeichenräder (Leichtmetallgussräder); Reifen vorne 110/90 - 18, hinten 150/70 – 17; 32 cm Einscheibenbremse vorne, 26,5 cm Einscheibenbremse hinten.


Assistenzsysteme: ABS, Antischlupfkontrolle.


Maße, Gewichte und Verbrauch: Radstand 1,521 m, Sitzhöhe 78 cm, Gewicht fahrfertig 223 (218) kg. Tankinhalt 21 l; Normverbrauch 4,9 l/100 km.


Farben: Blau oder Grau glänzend (Blau, Rot, Schwarz oder Silber/Grün matt)


Preis: ab 10.100 (9.100) Euro

Kommentare 2

  • Ein richtig schöner Klassiker mit charaktervollem Motor. :thumbup: <3 <3 <3

    Gruss Wolli

  • Fährt man mit diesem Donnerbalken (schaut extrem gut aus) auch unter 95 dB(A) :D

    Haben ja gerade in unserem Forum einen Mörder Stress damit ;)

    Siehe Thread

    #Open Petition startet Unterschriftenaktion gegen Fahrverbote