Servas mitanand,
man könnte jetzt natürlich fragen "warum schreibt ein Ösi einen Tourbericht vom KKT NRW, das in Thüringen stattgefunden hat?"... Gute Frage, die ich mir auch schon gestellt habe. Trotz heftigem Widerstand wurde ich mit vorgehaltenem Bremsenreiniger (aus Bernds Beständen) und einem Feuerzeug von Didi, genötigt, den Tourbericht zu schreiben. Gut Ding will Weile haben, also werde ich wieder die Tage einzeln "abarbeiten" und nach meinen zeitlichen Möglichkeiten immer wieder ergänzen.
Donnerstag, 20.06.2019
Tag 1
Relativ spotan hatte ich mich beim KKT auf der Schwäbischen Alb entschlossen, das von Lutz reservierte Zimmer zu übernehmen, da er verhindert war und ich den eigentlich geplanten Granite Rider vergessen hatte auch in meinem Kalender einzutragen. Vermutlich war das besser so.
Der Vorabend hatte ordentlich Fön gebracht, deswegen bin ich erstmal nicht wirklich begeistert, als ich um kurz nach 5:00 die Rolladen hochziehe. NOCH sieht es passabel aus, Richtung Bodensee deuten sich aber schon graue Wolken an.
Michi wartet in knapp 2,5 Stunden in Oberkammlach auf mich, also duschen, zwei Becher Kaffee in den Kopf und nochmal schnell das Regenradar checken. Hätte ich besser nicht gemacht, aber hilft ja nix. Scarlett habe ich gestern Abend schon reisefertig gemacht und aufgerödelt, also wird um 06:30 die heimelige Garage verlassen und um Zeit zu sparen für die ersten knapp 110 km bis zum Treffpunkt mit Michi erst die A14 und hinter der Grenze die A96 benutzt. Toll. Baustelle bis kurz vor Memmingen. Mit dem Ende der Baustelle fängt es an zu schiffen und zwar ordentlich. Immerhin ist die frisch aufgetragene Imprägnierung tippi toppi und auch die Membran hält dicht. Bei Erkheim verlasse ich die Autobahn, steuere noch schnell die Tanke an, damit Michi und ich später durchfahren können.
Am Ortseingang Erkheim werden gerade die ersten Straßen für die später stattfindenden Fronleichnamsprozessionen gesperrt, ich schaffe es aber noch im Slalom um irgendwelche aus Dekogründen großflächig auf den Straßen verteile Bio-Heizmasse herumzukurven und bekomme den ersten Daumen hoch der Dorfgemeinschaft, weil ich nicht einfach durchgeblasen bin. Kurz darauf und nur drei Minuten verspätet bin ich schon am Treffpunkt bei der Käserei Mang in Oberkammlach, wo Michi mich schon leicht angefeuchtet erwartet. Ohne viel Schnickschack und weil der Regen zunimmt starten wir schnell durch in Richtung Pommertsweiler, wo wir neben brauner Brühe und einem Frühstück auch Heike & Bernd, Mo & Kurt und Jo aufgabeln wollen.
Das Wetter ist zwar nicht ganz so der Hit, dafür haben wir aber keinen Verkehr vor uns und so setzen wir nach knapp 130 km entspanntem cruisen erstmals in Abtsgmünden an einer Ampel wieder einen Fuß kurzfristig auf den Boden. Inzwischen ist auch die Sonne herausgekommen, brutzelt uns aber nicht das Hirn weg. Das kann nicht nur so weitergehen, es tut es auch. Wir brauchen noch eine knappe halbe Stunde bis Pommertsweiler und werden von der restlichen Meute um 09:30 schon erwartet. Kein Wunder, denn Michi hat den Käse, Landjäger und Pfefferbeisser für die Jausen im Gepäck.
Heike und Bernd haben eine ausreichende Ladung braune Brühe parat, Brezn mit Butter sind auch am Start, also werden wir den Rest der Anfahrt nach Gehlberg vermutlich gut überstehen. Bernd öffnet für interessierte Personen kurz das Reinigunsmittel-Arsenal, achtet aber penibel darauf, dass niemand etwas einsteckt.
Um Kurz nach 10:00 sortiert sich das nun etwas größere Rudel, Streckensperrungen vor Fronleichnamsprozessionen ignorieren wir zur Unfreude der sichernden Streckenposten und wir ziehen durch bis kurz vor Marktbreit um mal schnell die Beine auszuschütteln, die Spritstände bei den Nicht-GSen und die Optionen für Mittach abzustimmen.
Wir entscheiden uns nach dem Tankstop in Marktbreit einfach dort zu bleiben und eine schnelle Jause einzunehmen. Glücklicherweise sind Brezn, Käse und Würschtel noch ausreichend vorhanden und so machen wir es uns am Mainufer gemütlich.
Michi sitzt natürlich mal wieder der Schalk im Nacken und so wird eine Kunstinstallation mal schnell zweckentfremdet. Hat ihm aber nicht gefallen. Zu wenig PS.
Nach getaner Rast wird wieder aufgesattelt und weiter geht die entspannte Fahrt durch Unterfranken in Richtung Dunkeldeutschland. Nach wie vor gibt es kaum Verkehr und wir müssen ganz selten höchstens mal ein Wohnmobil überholen. Auch als wir schon längst in Thüringen sind haben wir selten ein Auto vor uns. Die wenigen uns Entgegenkommenden machen vermutlich rüber.
Irgendwo in the Middle of Nowhere vor Schleusingen legen wir gegen 14:30 den nächsten Stop ein. Da sind sie, die blühenden Landschaften, die Helmut Kohl damals versprochen hatte. Sonst allerdings auch abgesehen von kleinen Dörfchen ziemlich wenig. Trotzdem ist es schön.
In einem unbeobachteten Moment werfe ich einen Blick in Bernds Topcase und entdecke einen im Deckel eingeklebten detaillierten Reinigungsplan mit Einträgen wie "+10 Betriebsstunden: Shampoo Lotus-Effekt 100ml/5l Wasser - Heike". Klar, dass Bernds GS immer so sauber ist, wenn der ganze Schmock einfach abperlt! Leider (für Bernd) bleibt an diesem verlängerten Wochenende keine Zeit für ausufernde Putzaktionen und ich hoffe, dass Bernd das auch gut wegstecken wird!
Nach kurzer Abstimmung rödeln wir wieder auf um die letzte knappe Stunde in Richtung Gehlberg hinter uns zu bringen. Noch immer herrscht kaum Verkehr und wieder rollen wir entspannt durch die Landschaft. Allerdings, und dieser Eindruck wird sich in den nächsten Tagen noch verstärken, sind manche Straßen so schlecht, dass selbst die GSen leicht anfangen zu hüpfen. Richtig übel wird es dann zwischen Schmiedefeld am Rennsteig und Schmücke. Hier reiht sich Schlagloch an Schlagloch und die Straßenränder sind dermassen ausgefressen und bröckelig, dass dort niemand fahren will. Die Strecke an sich führt uns durch dichten Wald und wäre wunderschön, wenn sie nicht so grottig wäre. Hinter Schmücke ändert sich das zwar, allerdings gibt es eine Beschränkung auf 40km/h. Warum? Wüsste ich auch gerne. Ich bin nicht bereit, wie die anderen mit 100 Sachen durchzublasen und vielleicht gelasert zu werden und reduziere die Geschwindigkeit auf angepasste und kurz vor Punkten angesiedelte 70km/h. Jo fällt irgendwann auf, dass ich zurückbleibe und reduziert ebenfalls das Tempo, bis wir kurz vor dem Ortseingang von Gehlberg wieder zum Rest aufgeschlossen haben. Da scheint tatsächlich eine Aufhebung zu fehlen, in die andere Richtung gibt es diese Tempobeschränkung nicht. Sie wird daraufhin auch in den folgenden Tagen großzügig übersehen werden.
Um knapp 15:45 biegen wir auf den Hotelparkplatz ein; leicht früher als von allen erwartet.
Auch im Hotel ist man ob unserer frühen Ankunft etwas unterwältigt; Schankpersonal fehlt noch aber nach der Eincheckprozedur gibt es dann trotzdem das von Michi sehnlich erwartete Stiefelbier.
Da Elke, Thomas und Didi noch unterwegs sind, werden aus einem Stiefelbier doch wieder ein, zwei mehr bis es wieder anfängt ordentlich zu kübeln und schon wieder leicht angeschickert werden die Zimmer in Beschlag genommen. Super Zimmer übrigens: schön groß, ordentliches Bad und alles sehr sauber. So muss das sein!
Vom Balkon aus hat man einen herrlichen Blick auf den Thüringer Wald bis hinüber zur A71 in einiger Entfernung.
Jo, der leider den ganzen Tag schon ein kleines Problem mit eingeklemmten Nerven hat weil er mal wieder irgendwelche schweren Leitern alleine durch die Gegend schleppen musste, wird zwischenzeitlich von der KK-Chiropraktikerin Mo wieder halbwegs fit gemacht, zwischendurch kommen auch Elke, Thomas und Didi wohlbehalten nach einer kleinen Umleitungs-Odyssee bei uns an und so sind gegen 20:00 endlich alle Teilnehmer zum Abendessen vereint.
Das Restaurant bietet lokale Spezialitäten wie Würzfleisch in allen möglichen Kombinationen, vom Eigentümer selbst geschossenes Wild und vielerlei Leckereien mehr und jeder kommt auf seine Kosten - besonders Heike und Bernd, die als "Ossis" ja wissen müssen, wie sowas zu schmecken hat.
Unsere Bedienung Frau E. ist anfangs leicht überfordert, erliegt aber wie drei Wochen zuvor auf der Alb schon "C&A" schnell Didis Charme und taut auf. Eine Runde "Schneekopftropfen" aus Calmunds Nüssen (oder so ähnlich) im umkippsicheren Glas
unsererseits lockert die Zungen neben Kellerbier noch weiter und schon bald ist es, als hätten wir uns nicht schon vor drei Wochen im Rössle verabschieden müssen. Zwischendurch hat uns Frau E. draußen einen Doppel-Regenbogen organisiert und bucht eine Euro extra pro Person auf unsere Zimmer. Das hat hier System, wie wir in den folgenden Tagen noch feststellen werden...
Da wir doch mit ein paar Bikes mehr unterwegs sind, wird kurzerhand auch der obere Parkplatz für nur einen Euro / Bike und Nach reserviert. So geht Kundenservice.
Um kurz nach 22:00 und mit schon leicht schwerer Zunge überreiche ich Frau E. meinen Deckel zwecks Buchung auf das Zimmer. Als sie mich nach meinem Namen und Zimmernummer fragt werde ich direkt nervös. Ich habe ja schon gehört, dass die Frauen im Osten sehr offen sein sollen. Ich warte vergeblich auf ein Klopfen an der Tür. Allerdings bin ich nach knapp 540km auch so schnell im Land der Träume, dass mich selbst Monica Bellucci mit ihrem Handrührgerät nicht mehr von den Toten hätte auferstehen lassen können...