Eine kleine skurille Wochenendtour von Tirol zum Gardasee

  • Servas,


    ein weiterer Tourbericht aus dem alten Forum. Und meine bis dato "besonderste" Erfahrung mit einer Tourbegleitung... Danke nochmal, Kathrin! ;)


    Wir kannten uns vom KKT 2018 im Lechtal, allerdings hatte ich wohl ein paar Warnsignale nicht beachtet...


    Samstag, 28.07.2018

    Es begab sich also zu einer Zeit, da es in Schönau am Samstag Morgen gegen 08:30 Uhr Zeit war, aufzubrechen Richtung Italien. Zum Gardasee, um genau zu sein und auf dem Weg nach Malcesine warteten neben dem Timmelsjoch einige wenig befahrene Nebenstraßen mit hohem Spaßpotential.

    Meine Begleiterin, nennen wir sie Kathrin, war fit und ausgeschlafen, also sollte dem Spaß doch eigentlich nichts mehr im Wege stehen.


    Es ging also los, über das Hahntennjoch, kurz durch Imst und dann rein ins Ötztal. Leider war scheinbar Bettenwechsel, denn es war in beide Richtungen gut was los. Mich stört das ja nicht wirklich, aber Kathrin begann dann doch irgendwann leicht auszuzucken, weil ich entspannt im Verkehr mitschwamm. Kurz vor Sölden hielt sie es dann nicht mehr aus, setzte zu einigen mehr oder weniger gewagten Überholmanövern an und war nach einiger Zeit aus meinem Blickfeld verschwunden. Da wir eh vorher schon über einen Tankstop in Sölden gesprochen hatten, war für mich die Welt in Ordnung und ich traf Kathrin auch tatsächlich an der Tankstelle wieder.


    Nach kurzem Tankstop überließ ich Kathrin dann die Führung zum Timmelsjoch, setzte mich dann aber vor sie. Wir kamen beide gut oben an, die Strecke über Hochgurgl war dann auch ein angenehmes Warmfahren.

    War die Auffahrt für mich noch etwas mühsam, weil der vorhandene Verkehr eher ungünstig verteilt war, sollte die Abfahrt wohl besser werden. Es fuhren gerade kaum Autos runter. Zeit, die Cam anzuwerfen. Leider wird es sich später noch rächen, dass ich ein kleines Experiment wagte, und die Cam nach hinten ausrichtete...

    [Externes Medium: https://youtu.be/6ykxzFEGiJE]

    Es ging also über St. Leonard im Passeier runter nach Meran. Wieder hatten wir natürlich regen Autombilverkehr vor uns, aber es lief relativ flüssig, weswegen ich auch nicht wirklich Sinn darin sah, groß zu überholen. Im Gegensatz zu Kathrin. Sie klinkte sich sich kurz hinter Dorf Tirol erneut aus und da Sie die genaue Route nicht im Navi hatte sah ich mich gezwungen dranzubleiben. Kein Beinbruch, es gab genug Lücken zum Überholen und kurz nach dem Ortseingang von Meran hatte ich Kathrin dann eingeholt, die langsam und rechtsblinkend vor mir herfuhr, aber auch keine Anstalten machte irgendwo abzubiegen. Ich fasste das als Aufforderung auf, wieder die Führung zu übernehmen und tat dies auch. Dies jedoch nur kurz, denn als ich ca. 30 Sekunden später wieder in den Spiegel blickte, war Kathrin nicht da. Ich fuhr also noch ca. 100 Meter weiter, bis ich eine passende Stelle zum warten fand und... wartete. Und wartete. Nach zwei Minuten war immer noch keine Kathrin in Sicht, also drehte ich um. Auch an der letzten Stelle, an der ich Kathrin gesehen hatte war leider nichts von ihr zu entdecken. Ich fuhr also in die nächste Seitenstraße hinein, drehte nach knapp 50m aber auch wieder um, weil keine Spur von Kathrin zu entdecken war. Also wieder an den Straßenrand, das Handy rausholen und ich hatte es noch nicht ganz in der Hand, als es auch schon klingelte. Kathrin! Mir fiel ein Stein vom Herzen, immerhin war ihr also nichts passiert...


    "Ja, hallo. Ich bin jetzt hier beim Oberwirtshof, da war ich bei meiner letzten Tour schon"... Ich blickte mich etwas verunsichert um, aber ein nahegelegenes Schild wies auf einen Oberwirtskeller hin. "Bist Du vielleicht beim Oberwirtskeller?" fragte ich. SIe war sich nicht sicher, aber so weit auseinander konnte das wohl nicht sein. Ich wendete also erneut und fuhr die kleine Straße etwas weiter hoch und in der Tat: da stand Kathrins Töff an der Staße, gegenüber ein Gasthof. Oberwirtshof UND Oberwirtskeller. Schlechte Beschilderung, dachte ich noch bei mir. Na ja, egal. Ich hatte eigentlich nach Meran eine Pause eingeplant, aber wir hatten ja Zeit. Das Lokal hatte eigentlich noch geschlossen, aber Kathrins charmante Art besorgte uns dann trotzdem eine Flasche Wasser und eine Apfelschorle. Und Eiswürfel. Viele Eiswürfel. Es war nämlich inzwischen ganz schön warm geworden...


    Beiläufig erwähnte Kathrin, dass sie die von mir vor vier Wochen gesendeten GPX-Daten gar nicht in Ihrem Navi drin hatte. Noch dachte ich mir nicht viel dabei... Ihr TomTom schlug natürlich auch eine andere Strecke als meine mit Basecamp geplante Route vor, daher holte ich dann mein Navi vom Motorrad und versuchte, per Bluetooth die Übertragung auf Ihr Gerät, was leider nicht funktionierte. Hätte ich zu diesem Zeitpunkt gewusst, was mich noch erwartet, hätte ich ihr mein Navi besser geschenkt. ;)


    Nach einigen Nörgeleien wie "müssen wir jetzt echt durch Meran" und "fahren wir da auch über Lana wie bei meinem TomTom" beschloss ich die Sache in die Hand zu nehmen, zu zahlen und endlich weiterzufahren. Sanftem Druck beugte sich Kathrin also. Dachte ich...


    Es ging also nach einer knappen halben Stunde weiter. Durch Meran, tatsächlich an Lana vorbei und dann kam endlich das, auf was ich mich den ganzen Tag gefreut hatte. Fahren. Wir schraubten uns langsam Richtung St. Pankratz, aber einige Baustellen und etwas Verkehr schmälerten noch das Vergnügen. Hinter St. Pankraz hieß es dann aber tatsächlich "Feuer frei" und wir fanden nahezu keinen Verkehr, ein paar Serpentinen und viele Kurven auf dem Weg nach Laurein. Leider vergass ich in der Freude über das freie Fahren die Cam anzumachen, aber der Ritt war geil! Ziemlich exakt bis Laurein. Hier vermisste ich am Ortsausgang auf einmal wieder Kathrin im Spiegel. Das übliche Spiel: warten, wenden zurückfahren. Wieder war ich erstmal froh, dass ihr nichts passiert war. Sie wollte einfach nur schnell einen Kaffe trinken. OK, auf Kaffee habe ich ja prinzipiell immer Lust, aber so langsam beschlich mich das Gefühl, dass wir beide nicht gut miteinander fahren können...


    Die Aussicht war schön, also ließ ich mir nichts anmerken und machte gute Miene zum bösen Spiel.

    Nach einiger Zeit erhielten wir tatsächlich unseren Kaffe und schon wieder machte sich Kathrin über ihr Navi her. Ich muss das hier einfach nochmals erwähnen: die Route war Wochen im Voraus bekannt gegeben worden und natürlich auch hier im Forum zu finden. Allerdings war Kathrin scheinbar nicht in der Lage gewesen, etwas mit den GPX-Dateien anzufangen... Langsam wurde ich ein wenig gereizter. Ich drängelte ein wenig auf Weiterfahrt, wir hatten schließlich noch einiges an Strecke zurückzulegen. Schließlich bequemte sich Kathrin, obwohl es inzwischen kurzfristig leicht genieselt hatte. Zu meinem Leidwesen ignorierte ich diesen dezenten Hinweis auf ihr Befinden zunächst.


    Es ging also weiter. Noch kurz die Cam gerichtet, dann sollte dem Vergnügen eigentlich nichts weiter im Wege stehen.

    (Zu früh gefreut. Leider habe ich nach dem Timmelsjoch die Cam nicht wieder richtig eingestellt, deswegen passt der Winkel nicht wirklich... und zu meiner Scham muss ich gestehen, dass ich später beim Versuch der Korrektur leider in die falsche Richtung "korrigiert" habe. Ich verzichte daher in der 2019-er Fassung auf weitere Videos^^.)

    Weiter ging es Richtung Fondo Malosco, Seio und dann Dambel durch malerische Weinberge mit vielen Kehren, schönen Kurven und zwar etwas, doch wenig Verkehr in Richtung Sanzeno. Wunderbares fahren!


    In Sanzeno bemerkte ich dann im Rückspiegel, dass Kathrin anhalten wollte. Ich fuhr also rechts ran und sie merkte dann an, dass sie gerade ein Elektronik-Fachgeschäft gesehen hatte, in dem sie ihrz zu Hause vergessenes USB-C Ladekabel für ihr Handy zu ersetzen gedacht. Das war gegen 14:40. Auf meine Rückfrage, ob sie denn sicher sei, dass der Laden geöffnet hatte, entgegnete sie entschieden, dass sie da jemanden herauskommen gesehen hätte. Ich wunderte mich zwar, dass da um diese Zeit an einem Samstag irgendwas geöffnet haben sollte, aber willigte in einen Turn ein weil ich mir nicht ausmalen wollte was passiert, wenn die Gute von sozialen Medien abgeschnitten wäre. Natürlich hatte der Laden nicht geöffnet. Die Person, die Katja herauskommen gesehen hatte, war ein Auslieferungsfahrer der keinen Bock hatte ihr zu helfen und auf die nahende Öffnung gegen 15:00 verwies. Es hieß also warten. Um Punkt 15:00 schnappten wir uns den ersten Verkäufer der nicht bei 3 auf den Bäumen war, machten ihm klar, dass wir einfach nur ein verkacktes USB-C Kabel kaufen wollten und nur zwei Zigaretten später saß ich dann auch endlich wieder auf dem Bike.


    Weiter ging es über dann kurz vor Demulo abbiegend über die Strada Provinciale 7 in Richtung Vervò, Priò und Mollaro. Hier war mal wieder Feuer frei angesagt, ich ließ Kathrin und auch meine latent schlechte Laune hinter mir.


    In Maso Milano bogen wir dann ab in Richtung Lago die Molveno und nutzen oberhalb von Malfein nochmal die Chance für ein paar schnelle Fotos.



    Leider begann es dann leicht zu nieseln und anstatt weiter- und dem Regenguss davon zu fahren, bestand Kathrin auf einem weiteren Stop. Wie ich bei diesem Stop und einer weiteren Diskussion über die zu fahrende Route herausfand war Kathrins sicherlich nicht gerade günstige Jacke leider noch nie in Kontakt mit Imprägnierspray gekommen und eine Regenkombi war leider auch nicht am Mann. Ich verkniff es mir, sie künftig Zuckerpüppchen zu nennen... Es folgte dann eine knappe Stunde mit wenig Konversation, viel Social Media ihrerseits (ihr Handy konnte dank meiner Powerbank immerhin in dieser Zeit auf mehr als die Hälfte der Akkulaufzeit gebracht werden) und dem stärker werdenden Gefühl meinerseits, dass das so keinen Sinn macht. Die Stimmung war zu diesem Zeitpunkt beiderseits schon gefährlich nahe am Nullpunkt angelangt.


    Gegen 18:00 setzte ich mich dann trotz anhaltendem leichten Regen und Kathrins Unwillen, bei Regen zu fahren durch, und wir machten uns behäbig an die restlichen KM bis nach Malcesine. Bei einem kleinen Abstecher in eine Seitenstraße durch eine um ca. einen Milimeter im Basecamp versetzten Route tat Kathrin dann ein weiteres Mal ihren Unmut kund und bestand auf einem weiteren Stop bis der Regen vorbei wäre. Sie sei schon ganz nass... unwillig dem erneut Folge zu leisten, ließ ich nur ein zugegeben etwas barsches "Ich will irgendwann nochmal ankommen" raus, änderte im Navi auf die direkte Route nach Malcesine und fuhr ab diesem Zeitpunkt gedanklich schon solo. Über Balino und ohne noch großartig Rücksicht auf meine Ko-Fahrerin zu nehmen, die den ganzen Tag auch schon keine Rücksicht auf mich genommen hatte, erreichten wir dann nach ein wenig Stau zwischen Linfano und Turbel nach 11 Stunden endlich Malcsine.


    Die Suche nach dem Hotel gestaltete sich etwas schwierig; ich verwechselte sogar aus dem Augenwinkel das Hotel Barsa mit dem Hotel Bianca und um einer weiteren Diskussion zu entgehen, ließ ich Kathrin dann zu der bereits geschlossenen Tankstelle zurückfahren, an der wir gerade vorbeigekommen waren, um zu tanken und Zigaretten zu kaufen. Nicht, dass die Tankstelle am nächsten Morgen nicht sowieso auf dem Weg gelegen hätte und wir Ihre Zigaretten sowieso später auf dem Weg zum Abendessen hätten kaufen können... Lange Rede, kurzer Sinn: knapp 20 Minuten und einen Anruf bei mir später hatte auch Kathrin den Weg zum Hotel gefunden.

    Ein typisches, italienisches BB inmitten von Olivenhainen und direkt oberhalb vom Gardasee gelegen (in das ich übrigens auch 2020 gerne immer wieder einkehren werde!).

    Glücklicherweise waren die Zimmer echt in Ordnung und nach einer kurzen Dusche und nachdem ich Ihr Motorrad freundlicherweise noch rückwärts bergauf die Garage geschoben hatte, konnten wir uns endlich zum Abendessen in Richtung der lieblichen Altstadt von Malcesine begeben.

    Nachdem wir Zigaretten für Kathrin besorgt hatten, sollte ein gemütliches Abendessen in der Trattoria da Nonna Pina wieder für etwas seelisches Gleichgewicht sorgen. Obwohl wir natürlich keinen Tisch reserviert hatten, gelang es die Wirtin zu bequatschen uns einen Tisch draussen zu geben und der Rest des Abends verlief dann größtenteils harmonisch, abgesehen von einer kurzen Diskussion über die veranschlagte Tourlänge des folgenden Tages. Wir wurden jedoch vom Essen unterbrochen und das war wirklich ausgezeichnet.


    Kathrins Spaghetti mit Mies- und Venusmuscheln

    Tagliatelle mit Langostini und Scampi

    Gardasee-Felche mit Spinat und Röstkartoffeln

    Anschließend genossen wir noch einen hervorragenden Grappa aufs Haus und schlenderten noch ein wenig duch das nächtliche Malcesine.

    Ein Gelato und ein Besuch an einem kleinen Marienschrein rundeten den Abend ab, anschließend ging es zurück ins Hotel.

    Das Leben ist kein Ponyschlecken!

  • Sonntag, 29.07.2018


    Der Sonntagmorgen begrüßte mich mit angenehmer Kühle und weil bis zum Frühstück noch Zeit war, ging ich auf eine Zigarette nach draußen. Zu meiner Überraschung traf ich dort die bereits voll aufgerödelte Kathrin, die Ihr Motorrad abfahrbereit machte.


    Um es kurz zu machen: unsere Wege trennten sich hier. Kathrin brach noch vor dem Frühstück auf und ich war sehr, sehr dankbar, dass sie diese Entscheidung für sich getroffen hatte.


    Gut gelaunt nutzte ich die kühle Morgenluft noch für einen kleinen Spaziergang und genoss die wundervolle Umgebung.

    Nach einem ausgiebigen Frühstück mit mehreren selbstgebackenen Kuchen, frischen Quiches, Obst und Gemüse konnte der Tag starten.

    Pünktlich um 08:30 sattelte ich dann auf, füllte an der örtlichen Tankstelle um sportliche €1,69 / l Scarletts Lebenselexir auf und war wieder auf der Straße. Entlang des Ufers ging es zunächst nach Riva del Garda und von dort aus hinauf in die Obstplantagen und Weinberge. Als um exakt 09:02 das erste Mal die Fußraste kratzend an ihre Existenz erinnerte, entlud sich die Anspannung des vergangenen Tages spontan in einem Jubelschrei.


    Florence & The Machine auf den Ohren und lauthals mitsingend schwang ich mich über die kurvenreiche Straße über Deva, Pranzo und Tenno zum Lago die Tenno. Die Strada Tatale 421 führte dann weniger ereignisreich, aber landschaftlich wunderschön über Ballino nach Fiave, wo ich auf die SP5 abbog, um mal wieder ein paar Kurven unter die Räder zu bekommen.


    Hinter Zuclo ging es weiter in Richtung Preore, wo ich auf die SP53 abbog und Scarlett und mich gemütlich in etwas höhere Gefilden schraubte. Nicht sonderlich spannend, aber dank dem hervorragenden Album "A weekend in the City" von Bloc Party sehr entspannend. Hinter Spiazzo ging es dann auf die SS239 bis nach Pinzol, wo erstmal ein Espresso fällig wurde.

    Frisch gestärkt machte ich mich mit Scarlett auf den Weg zum nächsten Highlight des Tages. Durch eine schattige Waldstrecke ging es zunächst über Sant'Antonio di Mavignola, schöne Gerade und einige leichtere Serpentinen und Kurven nach Campo Carlo Magno und weiter über Folgarida nach Dimaro. Hier bog ich auf die SS42 und bei Pizzano kündigte sich bereits aus einiger Entfernung eine Begegnung mit der indigenen Biker-Szene an... nicht lange nach dem ersten Brüllen erblickte ich im Spiegel dann auch die Geräuschquelle. Zwei landestypische Motorräder in gelber Lackierung stießen im Tiefflug zu mir und setzten sich vor mich. Challenge accepted!

    Nach einem kapitalen Verbremser (keine Sorge, alles gut und nur Zeit verloren^^) im Tunnel kurz vor dem Passo Tonale waren meine beiden Kurzzeit-Buddies dann weg. Ich schraubte daher auch das Tempo etwas runter... und war trotzdem erstmal erschrocken, als mich am Ortseingang die Carabinieri in Empfang nahmen. Falscher Alarm, lediglich die Ortsdurchfahrt war wegen eines Großgottesdienstes gesperrt und man erklärte mir sehr freundlich und in einem wilden Mix aus deutsch, italienisch und englisch die übrigens auch ausgeschilderte Umfahrung. So kam ich zwar leider nicht zum gewünschten Foto vom Pass, aber dafür von den "Hinterhöfen".

    Keine Ahnung wo die ganzen Leute waren, der Behelfsparkplatz war gerammelt voll mit Wohnmobilen und Bussen. Aus der Entfernung hörte ich den Pfaffen am Mikro etwas von Ave Maria sagen und beschloss, dass diese kurze Segnung für den Rest des Tages ausreichen würde. Es ging also weiter den relativ unspektakulären Passo hintunter nach Ponte die Legno und von dort aus weiter in Richtung Precassaglio und den Passo Gavia - eines der Highlight des vergangenen Bikerjahres. Motiviert bis in die Fußrasten wunderte ich mich über die vielen Fahrradfahrer - und kein einziges Auto oder Motorrad. Der Grund dafür erschloss sich mir bald an der Auffahrt zum Pass:

    Streckensperre bis 12:30 auf Grund eines Radrennens... Ich war gegen 11:45 dort, also der perfekte Zeitpunkt für einen kleinen Mittagssnack im Pietro Rossa direkt an der Sperre. Es war natürlich brechend voll, aber ich ergatterte einen schattigen Platz im Gastgarten und sah mich nach kurzer Zeit einer ausgezeichneten Pizza Salame e Funghi gegenüber. Meine Tischgesellschaft sprach leider tschechisch und wenig englich, aber mit Händen und Füßen erfuhr ich, dass Jakub und Kristyna mit einer Triumph Tiger auf Hochzeitsreise waren. Nochmals herzliche Glückwünsche und Masel Tov! ;)#


    Da ich mit den Hufen scharrte und keinesfalls in der sich anbahnenden Blechlawine, die sich inzwischen angesammelt hatte, feststecken wollte, war ich mit einer der ersten, die sich für die anbahnende Streckenöffnung einreihten und tatsächlich gab die Rennleitung um Punkt 12:30 die Straße für uns frei. Meine Freude hielt sich ziemlich exakt bis zur ersten Kurve... denn hier kam uns dann aus der Gegenrichtung ebenfalls eine Blechlawine entgegen. Die Motorradfahrer waren hier naturgemäß nicht das Problem, aber überforderte Autofahrer, bevorzugt mit deutschem und holländischem Kennzeichen waren wiederholt nicht in der Lage, Ausweichbuchten zu nutzen und einfach mal Platz zu machen. Auch ein vor uns allen fahrender Lieferwagen (keine Ahnung wie der es als erster auf die freigegebene Straße geschafft hatte... gehörte vermutlich mit zum Orga-Team des Radrennens) trug nicht wirklich dazu bei die Situation zu entschärfen, weil er sein untermotorisiertes Vehikel konsequent in der Straßenmitte bewegte und keine Anzeichen machte, einfach mal den Schwarm Töffs überholen zu lassen. Die schlechte Straße mitsamt Tempolimit 30km/h bis kurz vor der Passhöhe trugen nicht wirklich zur Entschärfung bei. Um nicht später wieder in einer Blechlawine zu stecken verzichtete ich auf den geplanten Fotostop und fuhr durch. Die Kurven und Kehren vor Santa Katharina entschädigten dann aber für die kleinen Unannehmlichkeiten auf dem Weg dorthin. Innerlich dankte ich dem Herren, dass ich bei dieser Prüfung nicht auch noch mit der latent unzufriedenen Kathrin geschlagen gewesen war - allerdings hätte sie dort auch keine Stelle gefunden um sich klammheimlich abzusetzen.;)


    Über Bormio ging es dann zum eigentlichen zweiten Highlight des Tages, das nun zum ersten werden sollte: das Stilfser Joch stand an. Kurz vor der Auffahrt nochmal schnell den Akku in der Cam gewechselt, immer noch die bescheidene Ausrichtung nicht bemerkt und nochmal Florence & the Machine auf die Ohren gegeben. Scarletts Versorgungslage war OK, also stand dem Spass nichts mehr im Wege. An der Ausfahrt des Parkplatzes an der Via per Premadio wartete ich noch kurz, denn ich hatte beabsichtigt, mich an eine Gruppe italienischer Kollegen dranzuhängen. Nach nichtmal einer Minute kam dann tatsächlich auch ein meiner Zielgruppe entsprechendes Rudel von fünf Maschinen vorbei. Lasset die Spiele beginnen! Scarlett schlug sich wieder sehr gut und hielt mit den ganzen Ducs und GSen mit. Und Spaß hat´s auch noch gemacht. Nur der Kollege aus Bergheim war wohl etwas sauer als ich ihn kassiert habe weil er sich zu lange Bedenkzeit beim Überholen eines Autos gelassen hat. Dafür habe ich ihn dann aber in der nächsten Kurve großzügig wieder kurzzeitig vorgelassen. Fakt ist: mit Luise (CBF 600) im vergangenen Jahr war es nicht so entspannt und "genussvoll"... da fehlt dann einfach im Vergleich mit Scarlett deutlich der Hubraum und die dünne Luft hat ihr auch mehr zugesetzt. ^^


    Nachdem ich ja die Gavia-Passhöhe ausgelassen hatte, musste ich am Scheitel des Stilfser Jochs einfach noch einen Fotostop einlegen. Eins kann ich sagen: Hölle, Hölle, Hölle. So viele Motorräder sieht man vielleicht noch auf der Motorradweihe in Mindelheim an einem Fleck.^^

    Die ursprüngliche Planung hatte eigentlich noch den Schlenker über den Umbrailpass und die Vermeidung der Spitzkehren vorgesehen, aber der kurze Check auf Google Maps zeigte tiefes Rot, deshalb ging es dann also weiter in Richtung Prad. Wieder schloss ich mich einer Gruppe italienischer Biker an und hatte viel Spaß in den Spitzkehren. Abwärts finde ich sie durchaus OK, weil man von oben gut sehen kann, was entgegenkommt. Leider hatten wir nicht mit dem englischen Range Rover gerechnet, der nicht nur sichtlich überfordert, sondern auch noch ein Arschloch war. Auch nach mehrmaligem Zurücksetzen machte der Inselaffe leider keine Anstalten, doch mal kurz an einer passenden Stelle zu halten und die inzwischen mehr als 30 Bikes hinter ihm einfach vorbeizulassen. Stattdessen fuhr er Kampflinie und zeigte mehrfach den Stinkefinger, wenn mal wieder einer Anstalten machte, ihn zu überholen. Das hätte er besser gelassen... und vor allem das Fenster besser hochgekurbelt. Im Laufe der Abfahrt boten sich ja tatsächlich Möglichkeiten zum Überholen. Ein Bike nach dem anderen. Und zumindest jeder italienische Biker zeigte ihm, was eine Harke ist. Auf den wenigen Kilometern verlor er beide Außenspiegel, bekam mehrere Stiefelabdrücke in der Karosserie verpasst und man sah des öfteren wie der Klapphelm kurz hochging, um zumindest seiner an seinem ausgelebten Aloch-Sein unbeteiligten Beifahrerin eine ordentliche Ladung Rotze anfangs ins Gesicht und später vor die doch noch geschlossene Scheibe zu ballern. Da war dann die Entscheidung zwischen Fremdschämen und Häme schon irgendwie schwer...


    Auch der Range Rover sah dann irgendwann nur noch die Rücklichter und so ging es halt über Trafoi und Prad langsam in Richtung Heimat. Langsam im sprichwörtlichen Sinne, denn Scarlett hatte ordentlich Durst gehabt und daher näherte sich die Tachonadel langsam, aber doch sicher dem roten Bereich. Bis Reschen am See schwamm ich also mal wieder mit dem Verkehr mit, bis hinter die österreichische Grenze würde der Sprit schon noch reichen. Inzwischen war es auch schon wieder etwas her, dass ich dem Popomat ein wenig Erleichterung genehmigt hatte, deswegen gab es dann auch nochmal einen kurzen Stop, um den Koffeinspiegel mittels Espresso wieder auf erträgliche Höhen zu bringen. Beim MoHo am Reschensee folgte also nochmal ein kurzer Boxenstop für mich, Scarlett würde direkt hinter der Grenze an der Tankstelle nochmal eine Druckbetankung bekommen.

    Frisch gestärkt machten wir uns dann also an die letzte Etappe nach Hause. Ursprünglich war geplant nochmal über das Hahntennjoch ins Lechtal vorzustossen, aber ohne Kathrin konnte ich hier ein wenig abkürzen. Nach der Fahrt durch das wunderschöne Inntal bog ich bei Landeck ab in Richtung Arlberg. Über den Arlbergpass ging es dann wieder ziemlich gemächlich, weil starker Verkehr vorherrschte und in St. Christoph drückte die Blase, weswegen es noch einen kurzen Zwischenstop gab.

    Die letzte Etappe auf dem Weg zum eigenen Bett führte dann über Dalaas, Bludenz, Rankweil und Dornbirn in direktem Wege erst zum Motorradwaschen und anschließend nochmal zum Volltanken an der heimatlichen Tankstelle in Lustenau und genau um 18:03 stand Scarlett dann wieder sauber und vollgetank auf dem heimischen Stellplatz und konnte Luise und dem Harlequin von ihren Erlebnissen berichten.

    Das Fazit des zweiten Tages: trotz um 100km längerer und fahrerisch teilweise anspruchsvoller Strecke deutlich früher dahoam angekommen, als vorab geplant. Vor allem: deutlich entspannter angekommen. Trotz Widrigkeiten auf der Strecke war das ein wirklich geiler Tag.


    Fazit der gesamten Tour: kleine Unzulänglichkeiten in der Planung mit Basecamp müssen korrigiert werden. Nichts weltbewegendes. Auf meiner persönlichen Skala bekommt die Tour 95% ohne Selbstbeweihräucherung für die Streckenplanung. Einfach geil zu fahren, auf den für mich entscheidenen Passagen nahezu ohne weiteren Verkehr und mit teilweise traumhaften Bedingungen. Die Begleitung war halt leider ein Totalausfall... aber wenn wir mal ehrlich sind, haben Kathrins Eskapaden dem ersten Teil doch erst die nötige Würze verliehen. Daher noch einen kurzen Gruß an Dich, Kathrin. Ich bin nicht böse oder sauer auf Dich. Hat halt einfach nicht gepasst. Haken dran und gut ist.

    Das Leben ist kein Ponyschlecken!

    Einmal editiert, zuletzt von Erdna ()

  • Respekt! Vor Allem für den ersten Teil der Tour .... ich hab beim Lesen immer auf die Stelle gewartet bei der Du "sie" in den nächstbesten Tobel kickst 8)


    Und die Story hat mich in meiner seit vielen Jahren bestehenden Haltung bestärkt NIEMALS mit Leuten die ich nicht kenne und mit denen ich nicht ein/zwei "Einführungstouren" gemacht habe auf große Fahrt zu gehen...

    Gruß aus Ulm

    Gerhard


    What you gotta loose, you know?

    You come from nothing

    you´re going back to nothing.

    What you lost? Nothing!


    Monty Python

     


  • Ich lasse niemanden zurück, der das nicht selber wünscht. Inzwischen mache ich aber auch mal eine klare Ansage, da war ich früher zaghafter. ;)

    Das Leben ist kein Ponyschlecken!

  • .... das Niemand das falsch versteht: natürlich würde ich auch niemand einfach zurücklassen! Das mit "in den Tobel kicken" war überspitzt formuliert. Und wenn Du ehrlich bist hast Du unterwegs daran gedacht :whistling:


    Ich hatte bei einer Nordkaptour ein ähnliches Erlebnis. 5 Leute, 4 Motorräder.

    Eigentlich dachten wir es ist alles besprochen aber dann gab es quasi vom ersten Tag an Zoff wg. Streckenlängen, Pausen, Rahmenprogramm, Übernachtungen....

    Zum Glück recht bald haben wir alle eingesehen das es so nicht geht und haben uns in zwei Gruppen à zwei Motorräder aufgeteilt. Alles ohne Streit. So konnte jeder den Rest geniesen!!

    Einer der "Anderen" war unser Nachbar. Der kam zufällig ca 10 min. nach uns daheim an. Es gab ein großes Hallo und wir tauschten unsere Erlebnisse aus. Also alles gut :)


    Seither habe ich mir aber angewöhnt darauf zu bestehen Dinge genauer festzulegen.

    Gruß aus Ulm

    Gerhard


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  • Es gibt oft "leichte" Probleme bei mehreren Leuten in einer Gruppe. Wir haben eine Truppe, die sich einmal jährlich auf Tour begibt. Vorher werden die Routen erstellt, besprochen und dann kurzfristig (einen Tag vorher) festgelegt. Allgemein klappt das alles sehr gut. Abends wird dann ein Fazit gezogen und da gibt es dann auch mal:(leichte Kritik. Es kann nur besser werden.

    Die Problem (plötzlicher Halt wegen Foto, oder so) von Andre kenne ich auch von einem Urlaub in den Dolomiten. Ich bin dann kurzerhand alleine oder mit anderen gefahren. Die Rückfahrt war dann wieder gemeinsam.

    VG Wolfgang

    Gruß

    Wolfgang

  • Servus André,


    wieder einmal ein klasse Bericht, Danke.

    Nur der Film ist etwas gewöhnungsbedürftig da der Balken mit den Infos am unteren Rand die Straße größtenteils verdeckt und so bei mir ein ungewohntes Bild entstanden ist.

    Aber kein Problem, macht Spaß es sich an zu sehen.


    Was das Fahren in der Gruppe betrifft, da gabs eine sehr gute Broschüre vom ifz,

    ob das da die Nachfolgebroschüre ist weiß ich leider nicht.


    Wir waren vor Jahren mal mit ner Gruppe aus der Ortenau unterwegs die ein Bekannter von uns bis nach Oberschwaben gebracht hat und ich dann für ne Woche Urlaub nach Au-Schoppernau geführt hatte. Wir haben einige Touren gemacht die für alle richtig Spaß gemacht haben. Ging und geht aber nur wenn sich alle an die Grundregeln halten die in dieser Broschüre stehen und die sich jeder beim Treffen in der Nähe von Ravensburg beim Kaffee durch gelesen hatte, da ich diese Broschüren dabei hatte.


    Ich war ein paar Jahre Tourguide beim IPA Treffen der Verbindungsstelle Kempten im Feriendorf Reichenbach bei Nesselwang. Damals noch unter der Regide von Bruno Schneider, vllt. kennt ihn ja jemand noch? Er rief mich mal an und fragte mich ob ich Zeit hätte da einer von seiner Truppe ausgefallen war und so bin ich dazu gekommen. Aber das kann man nicht mit „normalen“ Motorradfahrern vergleichen denn die Sheriffs kennen sich bestens aus.
    Falls jemand nicht Bescheid weiß, IPA ist die International Police Association.
    Keine Panik, lauter dufte Typen hi, hi, hi.....


    Wann kommt Dein nächster Bericht, André?


    Schmunzelndes Grüßle aus dem Vorfrühlingshaften Unterallgäu

    und das acht Tage vor Heiligabend,

    Bernd


    "Nieder mit dem Verstand – es lebe der Blödsinn."


    Karl Valentin,

    aktueller denn je in einer Zeit wo die Ideologie wichtiger ist als die Realität...||

  • Servas,


    das Video war ein Experiment, habe ich in der Form auch nicht nochmal gemacht. Bzw. dann eine zweite Cam angeschafft, die von über dem Kennzeichen nach hinten filmt.


    Nach meiner Dolo-Tour dieses Jahr hatte ich Glück am Timmelsjoch und von St. Leonhard einen guten Slot erwischt, als ich mich kurz vor der Sperrung für ein Radrennen noch durch die bereits stehenden Absperrungen quetschen durfte und bis ca. zur Hälfte der eigentlichen Passauffahrt fast gar keinen Verkehr hatte. Danach wurde es dann leider etwas zäh, aber man kann halt nicht alles haben. Ist trotzdem eines meiner Lieblingsvideos aus diesem Jahr. Allerdings ziemlich lang und nur mit minimalen Schnitten der gesamten Fahrt bis zur Mautstelle. Vielleicht gefällt Dir das ja besser. ;)


    [Externes Medium: https://youtu.be/QjR5J22sKRc]


    Ein paar Berichte kann ich noch aus dem alten Forum umziehen. Dann muss vor Allem ich warten bis März / April 2020, bis wieder was geht. Ich scharre schon mit den Hufen...


    Zum Fahren in der Gruppe: das mit "Kathrin" war sicherlich eine Ausnahmeerscheinung. Ich habe zum Glück dieses Jahr bei mehreren von mir geführten Fahrten, egal ob zu zweit oder zu acht, nur positive Erfahrungen gemacht. Egal ob mit Arbeitskollegen, Bekannten oder auch teilweise gemischt mit vorher unbekannten Fahrern. Darf halt einfach kein zu egomanisch Veranlagter wie "Kathrin" dabei sein. Und für diese Personen gibt es dann immer noch die Möglichkeit, "Feuer frei" zu geben und sich später an einem vorher vereinbarten Treffpunkt wieder zu finden. ^^


    LzG,

    André

    Das Leben ist kein Ponyschlecken!