Die "Schnapsidee-Tour"

  • Aus dem alten Forum vom 30.06.2019


    Servus,

    nachdem ich gestern gegen 21:00 vor der Flimmerkiste auf der Couch eingeschlafen und heute um 04:30 wieder aufgewacht bin, stellte sich die Frage ob ich erneut die Hitze aussitzen oder lieber in teilweise kühlere Regionen aufbrechen will...


    Gestern habe ich übrigens mit einem Kollegen an Scarlett geschraubt, die nochmal anderes Öl (15W50) bekommen und deren Schalthebel leicht verstellt wurde. Daher gabs ein paar Bier und meinen letzten Rest an Poli Grappa haben wir auch vernichtet. Kurz drüber nachgedacht, aber nach Bassano del Grappa wollte ich nicht wirklich, aber in der zollfreien Zone Livigno kenne ich einen Laden, der den Stoff auch führt. Und schon war die Schnapsidee-Tour geboren: schnell übern Arlbgerg hüpfen, bei Imst ins Ötztal abbiegen und früh das Timmelsjoch unter die Räder nehmen. Geschwind weiter und etwas Handgelenkstraining in den Spitzkehren des Stilfser Jochs, an der anderen Seite in Bormio abbiegen Richtung Forcola di Livigno und über den Bernina- und Albulapass zurück nach Hause. Ziemlich exakt 600km lt. Basecamp. Egal. Ich habe ja Zeit.


    Nochmal schnell aus dem Fenster geschaut, sieht gut aus.


    Also ab unter die Dusche, aufrödeln und los gehts, um Zeit zu sparen bis vor den Arlbergtunnel auf der A14, bzw. S16. In St. Christoph hat noch nichts auf, daher gibts keine braune Brühe. Hmpf... Immerhin ist es angenehm kühl um Viertel vor Sieben.

    Nach einer Tschick gehts den Arlberg runter und direkt wieder auf die Autobahn. Keine Lust aufs Hahntennjoch. Hinter Imst biege ich ins Ötztal und denke mir: schon etwas frisch hier. Es ist sogar kalt und ich überlege kurz, ranzufahren und noch ein Langarm-Shirt drüberzuziehen. Entscheide mich aber dagegen, das muss ich nachher eh nur wieder ausziehen. Also weiter bis Sölden, kurzer Tank und Tschick-Stop und um exakt 08:08 beginne ich die Auffahrt zum Hochgurgl und dem Timmelsjoch. Herrlich, es ist nichts los. Komisch aber auch an einem Sonntagmorgen.


    Scarlett verschluckt sich beim Gangwechsel nicht einmal und entsprechend hänge ich auch ganz gut am Gas. So macht das Spaß. Bis zur Mautstelle. Inzwischen kostet der Spaß 14,-- für ein Motorrad und die einfache Fahrt. Der Blick ins Tal ist noch einen kurzen Stop wert:


    Die Straße ist perfekt präpariert und auch ausreichend galvanisiert. Allerdings ist nicht mehr viel Eis übrig und die Fahrt bis zum Passo rombo ist auch viel zu schnell vorbei. Dafür entschädigt die Aussicht.



    Bevor noch irgendein Genussbremser auf die Idee kommen könnte, vor mir zu fahren, sprinte ich zurück zu Scarlett und bin schon wieder unterwegs. So alleine auf weiter Flur ist das wirklich ein tolles Fahren. Ich glaube, wenn ich ingesamt fünf andere Fahrzeuge auf dem Weg nach St. Leonhard im Passeier überholen muss, ist das schon zu viel und so kann ich mich schön austoben. Leider ist auch dieser Spaß dadurch allerdings viel zu früh schon wieder vorbei. Als ich überlege, nochmal schnell hochzufahren kommt mir eine Kolonne aus ca. 20 PKW und Mopeds entgegen, deren Anführer eindeutig in die Genussbremser-Kategorie fällt. Bergauf. Der Plan ist damit hinfällig. Leider hat der Brückenwirt auch noch nicht auf, so langsam hätte ich wirklich Bedarf an brauner Brühe und vielleicht einem Snack. Kurz vor Meran kommt aber in einer Kurve ein kleiner Kiosk, der - wie ich weiß - extrem guten Kaffee vercheckt. Da wird sich bestimmt auch noch was zu essen finden lassen.


    Ich schwimme also mit dem zunehmenden Verkehr Richtung Meran und gegen ziemlich exakt 09:30 schlage ich beim Kiosk Tanner in Tirolo auf, ordere eine extragroße Tasse braune Brühe und klaue mir eine Tirolerwurst. Mann, ist die lecker. Ich würde gerne ein paar mitnehmen, aber da ich noch min. 10 Stunden vor mir habe, werden die vermutlich im Laufe des Tages im eigenen Saft gegart und ich verzichte leider. Übrigens: Kostenpunkt für eine geile Wurst und einen großen Kaffe hier: €3,20! Nur zu empfehlen hier Pause zu machen anstatt in irgendeiner Tourifalle...

    Weiter gehts, durch Meran muss ich leider durch. Ist aber gar nicht so schlimm, Meran duftet immer so schön nach irgendwelchen Blüten. Schlimm wird es allerdings hinter Meran, denn irgendwelche Fundamentalisten christlicher Art müssen keine Ahnung welche-Prozessionen durchführen und sorgen damit für Straßensperrungen. Die Motorradfahrer (und auch ich) ballern natürlich an den PWK-Kolonnen vorbei bis es irgendwann nicht weitergeht. In der Ferne meine ich jemanden eine Glocke läuten und "Schande" oder sowas rufen zu hören, entdecke aber keine nackte Monarchin. Dafür bin ich in einem Pulk aus Harley-Fahrern aus der Schweiz gefangen und mache die Musik lauter. Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei...


    Es geht tatsächlich irgendwann weiter und bis Spondinig habe ich durch geschicktes schlängeln und vordrängeln den letzten Harley-Fahrer hinter mir gelassen. Inzwischen ist es ordentlich war geworden und Scarlett hat sich schon das eine oder andere Mal beim Gangwechsel in und aus dem 2. verschluckt. Soviel also zu der Therorie, dass das Problem behoben sein könnte. In Gomagoi lege ich den nächsten Kaffestop ein, einen Liter Wasser verdampfe ich auch nebenbei.



    Nach 20 Minuten bin ich mir sicher, dass keiner der schweizer Harley-Gruppe von eben sich durch die Serpentinen des Stilfser Joch wagen wird und sattel wieder auf.


    Bis zum Ristorante Rocca Bianca läuft es erfreulich flüssig, lediglich eine kleine Gruppe tschechischer Fahrer ist entweder ehrfurchtsvoll oder mutlos (oder beides) und weiß nicht so recht, wie sie sich hier verhalten sollen. Also kassiere ich sie ehe sie Getriebeschaden buchstabieren können. Lediglich einer nimmt die Herausforderung an und setzt sich später in einer kleinen Knubbelbildung wieder vor mich. Ab jetzt wird zwangsgerudelt und wir sind eine bunte Mischung aus Italien, Scheden, Österreich und Tschecien. Leidglich eine Audi A3-Fahrerin versagt in einer Kehre und muss zweimal zurücksetzen, wird aber mit Applaus bedacht, als sie es schließlich schafft! Oben angekommen denke ich "Das war jetzt gar nicht mal so schlimm"... auch wenn diese Strecke Ende Juni zu Fahren natürlich die zweite Schnapsidee ist.


    [Externes Medium: https://youtu.be/wl7cS9BWmY0]


    Oben ist HÖLLE HÖLLE HÖLLE und ich sitze nur kurz ab, um Ersatz für den letztens beim kärchern weggeflogenen Aufkleber zu besorgen und kurz ein paar Beweisfotos zu schießen.


    Hinunter geht es wieder entstannt und zügig, ob der Abkühlung muckt auch Scarlett erstmal nicht wieder rum. Selbst die Ampel vor dem Tunnel schaltet exakt in dem Moment auf Grün, als ich den Zweiten in der Warteschlange davor überhole und so düse ich einfach vorbei und übernehme die Pole. Bis hinuter nach Bormio ist das ein Arschgeiler ritt, der nur einmal durch einen leicht störenden Kastenwagen etwas verzögert wird.


    In Bormio biege ich ab in Richtung Isolaccia, wo ich gedenke ein leichtes Mittagessen zu mir zu nehmen. Aber nicht wieder da, wo mir letztes Jahr so eine American Pizza Schnitte von LIDL als Pizza verkauft werden wollte, was fast im Eklat endete - sondern einfach einfach eine Pinte weiter, die weithin sichtbar mit selbstgemachter Pasta werben. Immerhin: mein Plan geht auf und innerhalb kurzer Zeit inhaliere ich nicht nur vorzügliche Spaghetti Carbonara,

    sondern auch noch insgesamt drei Espresso und einen halben Liter Wasser. Die Rechnung von 13,-- runde ich großzügig auf und weiter geht es gestärkt in Richtung Trepalle über gut ausgebaute Kurven und einige kleinere Serpentinen.


    Trepalle ist ein herrliches Plätzchen, aber ich will trotzdem weiter. Nicht, dass mir noch jemand die letzte Flasche Grappa weggkauft... also geht es die Forcola di Livigno entlang


    bis zur Forcla di Livigno und meinem Schnapsdealer. Mein Lieblingsgrappa

    ist tatsächlich vorrätig und wird sofort eingesackt. Zusammen mit Scheins-, Rinds- und Pferdesalami. Ich liebe dieses Zeug. Vor lauter Glückseligkeit vergesse ich tatsächlich in der steuer- und zollbefreiten Zone zu tanken und biege schon bald auf den Berninapass.

    Beim Hospiz ist alles gerammelt voll und ich dübel durch. Leider erhasche ich auch dieses Mal keinen Blick auf den Bernina-Express. Irgendwann wirds wohl nochmal klappen... Also weiter Richtung bis Pontresina zum deutlich teureren Betanken von Scarlett und dann hopp hopp bis nach Le Punt, wo ich zum Albulapass abbiege. Auch hier hält mein Ampelglück und wieder kann ich mich vor eine Gruppe vierrädriger Störfaktoren setzen und einfach durchblasen. Was allerdings mit 80 km/h relativ relativ ist. Schön ist es trotzdem und Spaß macht es auch.

    Leider gibt es keine Aufkleber fürs Topcase mehr, deswegen muss noch ein Bild vom Albula-Hospiz reichen.

    Schweizer Franken sind wie immer Mangelware, daher genügt ein Schluck aus der inzwischen lauwarmen Flasche aus dem Topcase. Bäh. Schnell weiter. Je tiefer ich komme um so wärmer wird es. Durch die Lenzerheide und vorbei am Heidsee

    lässt es sich noch halbwegs aushalten, aber bei Churwalden hält mir permanent irgendeine sphärische Entität, die ich als Pastafari scheinbar verägert habe, einen unsichtbaren Fön auf höchster Stufe ins Gesicht. Wurgs. Scarlett findet das auch nicht toll und bedankt sich mit vermehrten Schalten in den Leerlauf anstatt den zweiten Gang. Also wieder Zwischengas... geht schon.


    In Chur ist der Fön dann durch einen geöffneten Backofen ersetzt, ich fahre inzwischen mit hochgeklapptem Helm und will nur noch schnellstmöglich heim. Garmin sucht sich genau diesen unkonzentrierten Augenblick aus und lotst mich auf die schweizer Autobahn, für die ich immer noch kein Pickerl habe. Danke Garmin! Ob der Hitze es es mir aber auch egal, zahle ich halt eine Jahresvignette. Kurz vor Landquart überlege ich es mir doch nochmal anders, ich stehe nämlich im Stau. Allerdings ist die Ausfahrt nur einen knappen Kilometer entfernt und so mogel ich mich über den Standstreifen von der Autobahn. Jetzt ist es zum Glück nicht mehr weit und sobald ich von der Autobahn herunter bin, bekomme ich auch wieder etwas Fahrtwind. Heißen, aber besser als keinen.

    Ich beschließe das Schicksal herauszufordern und fahre über Maienfeld. Dort hat es einen tollen, kühlen Dorfbrunnen, den ich schon von früheren kritischen Kühlaktionen kenne.

    Kurzentschlossen stecke ich den Kopf in den Brunnen. Das tut gut! Auch mein KKT Buff wird einmal großzügig getränkt und sorgt zumindest für die nächsten knapp 20 Minuten für ordentliche Verdunstungskühlung. Weiter also Richtung Luzisteig, wo vor knapp 3000km und nur wenigen Wochen Scarlett´s Lichtmaschine implodiert ist. Ich zwinge sie hindurch, und bald schon reiten wir Vaduz entgegen. Von hier ist es nicht mehr weit!


    Wir reiten locker mit 50,60,80,60,50 km/h Richtung Feldkirch. Hier hat auch noch jemand den Grill des Backofens eingeschaltet. Ich will nur noch weg und biege mal wieder auf die Autobahn - in der Hoffnung, im Ambergtunnel die verbliebene Restfeuchtigkeit in Helm, Haar und Buff nochmal etwas runterkühlen zu können... der Plan geht tatsächlich auf, es ist herrlich kühl. Ob der aus einem Stop in einer der Pannenbuchten resultierenden Unannehmlichkeiten beschließe ich allerdings, dies lieber zu lassen und nach der 100er Zone nochmal etwas Gas zu geben Und erreiche immerhin 138km/h bei erlaubten 130, bevor ich mich bei Hohenems von der Autobahn verabschiede und direkt meinen Lieblings-Biergarten, das Walhalla-Stüble in Lustenau anlaufe, um ein Vor-Stiefelbier zu mir zu nehmen. Prost!


    Unter den Kastanien ist es zwar angenehm kühl, aber Scarlett will nach Hause. Noch nichtmal an die Tränke oder Duschen will sie noch... also gehorche ich und nach ziemlich exakt 600km und knapp 13 Stunden sind wir wieder zu Hause. War stellenweise zu war, aber trotzdem eine tolle Tour! (Kilometer weichen wegen billigem GPS-Chip leicht von der Realiät ab...^^)