Servas mitanad,
der Granite Rider steht jetzt schon sooo lange auf meienr To-Do-Liste und weil ich kurzfristig mal dringend ein paar Überstunden abbauen musste (bevor ich die Obergrenze reisse^^) informierte ich meinen Chef am Donnerstag über mein Nichterscheinen am Freitag. Wetter sah passend aus, also Donnerstag Abend Scarlett aufgerödelt um dann quasi als vertrauensbildende Maßnahme nach den Ausffällen der letzten Zeit endlich mal die knapp 1000km in der Schweiz unter die Räder zu nehmen.
Freitag, 26.07.19
Um kurz nach 6 geht das Rollo hoch. Das sieht schon ziemlich gut aus und ist auch noch angenehm kühl. Also Kaffeemaschine anwerden, unter die Dusche springen, Brötchen aufbacken und ganz in Ruhe frühstücken. Anschließend wird aufgerödelt und noch schnell der Tank vollgemacht, bevor es kurz nach 07:30 losgeht zu meinem Einstiegspunkt in die Tour: Appenzell im Appenzell. Über bekannte Strecken geht es über Altstätten zum Warmfahren erstmal den Eichberg hoch, über die Dörfer und das erste Zwischenziel, den Wasserfluhpass (der übrigens ziemlich unspektakulär ist) mal wieder nach Wattwil und in südlicher Richtung nach Glaurus und von dort weiter nach Linthal, dem Einstieg zum Klausenpass.
Direkt am Anfang gibt es ein paar Serpentinen und enge Kurven, anschließend mäandert die Passstraße durch diverse kleine Dörfchen vor sich hin. Ziemlich entspannt zu fahren, erst kurz vor der Passhöhe folgen ein paar engere Straßenabschnitten mit einigen schnelleren Kurvenkombinationen (also schneller ist relativ, da ja Begrenzung auf max. 80km/h in der Schweiz gegeben ist^^) und wenigen Serpentinen unterhalb der Passhöhe, die um 10:45 rechtzeitig für die nächste Koffeintransfusion erreicht ist.
Von hier aus kann man schon erahnen, dass die nächste Etappe wieder ein paar Spaßhäppchen zu bieten hat:
Die Spaßhäppchen haben es allerdings in sich, denn teilweise ist die Straße ziemlich eng und an der Bergflanke geht es nur durch ein niedriges Gitter gesichert ziemlich senkrecht und ziemlich weit abwärts. Spaß macht das Kurvenräubern dank wenig Verkehr natürlich trotzdem, auch wenn dieser relativ schnell wieder vorbei ist, denn spätestens hinter Spiringen ist das auch nur eine weitere, etwas höher gelegene Landstraße ohne besondere Herausforderunge. Landschaftlich allerdings durchaus nett. Unten in Bürglen könnte man das Tell-Museeum
besichtigen oder seine Euro und Franken gegen diverse Souvenirgegenstände eintauschen, sofern man denn möchte. Ich möchte das nicht und mache mich lieber auf die nächste Etappe über Wassen in Richtung Sustenpass. Auch hier ist der Aufstieg nicht sonderlich fordernd, aber der Blick auf das Tal ist wirklich atemberaubend. Leider ist hier der Verkehr etwas dichter, deswegen wird ab ca. der Hälfte der Strecke zwangsgerudelt mit einer Varadero, einer Intruder und einer MT07. Die MT und ich setzen uns aber vor der Passhöhe von den anderen ab und schwingen ein wenig um die Kurven und Kehren, bis bald auch schon der Tunnel auf der Passhöhe erreicht ist.
Nach nur einer Tschick geht´s dann auch schon wieder weiter und runter nach Gadmen und Innertkirchen. Immer wieder führt die Straße hier durch kurze Tunnels, die man kurzerhand in den Fels gesprengt hat.
Weiter geht es am Brienzer See und Thurner See
vorbei in Richtung Spiez, dem nächsten Zwischenziel. Keine Ahnung, was hier so besonderes sein soll. Vielleicht ist es ja das Restaurant "Zur goldenen Möwe" an der Abzweigung ins Simmental? Ich fahre jedoch weiter und bereue kurz darauf, nicht doch ein McEmmental-Menu zu mir genommen zu haben. Gefangen in einer langen Kolonne, viel Gegenverkehr und Überholverbote vermiesen temporär den Spaß etwas, die Geschwindigkeit variiert zwischen 30 und 40km/h. Viel später erspähe ich den Grund: drei altersschwache Wohnmobile führen die Kolonne an. Wenn die noch irgendeinen Berg hochwollen - na dann Prost Mahlzeit...
Kurz hinter Boltingen lege ich an der Auffahrt zum Jaunpass mal wieder eine Tschickpause ein um die Batterien der Cams zu wechseln und den Inhalt der Skevees neu zu sortieren.
Ein ebenfalls dort stehendes Auto der Kantonspolizei ignoriert mich bis zu dem Moment, in dem ich die Glut aus meinem Tschickstummel auf die Straße presse und den Stummel in der Hosentasche verschwinden lasse. Mit einem freundlichen "Gruezi" beamt sich auf einmal ein Gendarm neben mich und weist mich darauf hin, dass das Wegwerfen von Tschicks in der Natur nicht so gerne gesehen wird. Wegen Müll und Brandgefahr. Verwundert ziehe ich den Stummel wieder aus der Hostentasche und schlagartig schlägt die Stimmung um. Ich lasse meinen Müll nicht irgendwo in der Pampa zurück, was der Beamte gut findet und freundlich etwas Small-Talk startet. Ich erfahre dann auch von ihm, dass er und sein Kollege keine Geschwindigkeitskontrolle machen, sondern Mörder eines Polizisten in Italien suchen. Weiter oben am Pass stehen noch ein paar Kollegen mit MPs, erzählt er mir. Ich sattle also nach kurzem Gespräch wieder auf und tatsächlich, an einer Engstelle keine zwei Kilometer weiter werde ich durch einen Checkpoint gewunken. Die Schweizer passen gut auf, den Mörder nimmt man dann am gleichen Tag wohl noch in Italien fest.
Nach dem Checkpoint habe ich dann Spaß am Jaunpässchen, bis ich auf einen überforderten Deutschen im Einstiegsklasse-SUV eines koreanischen Billiganbieters auflaufe. Mit 40km/h bremst er sich genüsslich den Berg hoch und benötigt ob seiner Überbreite beinahe zwei volle Fahrspuren. Zumindest gefühlt. Eine Kurve tue ich mir das an, dann kündige ich meine Anwesenheit mit einem kurzen Hupton an und setze zum Überholen an - was der Teutone mit einem weiteren Schlenker nach links quittiert und mich fast von der Straße drängt. Kopfschüttelnd sehe ich beim Überholen die weit aufgerissenen Rentneraugen und die fest auf 10 und 14 Uhr-Position in den Lenker gekrampften Hände. So kann man ja auch nicht vernünftig fahren... ich frage mich immer, warum die Menschen sich solche Strecken überhaupt antun, wenn sie sich dabei fast in die Hose kacken. Egal, weiter gehts zum Pass, mal wieder Zeit für braune Brühe.
Nach dem Kaffe, einer Tschick und Aufkleberkauf ist auch der Rentner oben angekommen und startet durch auf mich zu, vermutlich seine Ehefrau hängt an seinem Ellenbogen und versucht ihn scheinbar mit "Hans, Hans, Hans, nicht!" davon abzuhalten, mich ob meines rowdyhaften Fahrverhaltens zur Rede zu stellen. Ich höre mir seinen Salmon von "Raser, gefährlich, enge Straße" an und schlage dann vor, er könne sich das gerne mal im Video anschauen. Das möchte er dann auch, also zeige ich ihm auf den Smartphone seine Fahrkünste. Seine Frau kann sich das Lachen nicht verkneifen, als ich ihm für seine nächste Ausfahrt den Besuch eines Verkehsübungsplatzes empfehle. Im Flachland. Zerknirscht schiebt er ab und ich mich wieder auf in Richtung Bulle, dem nächsten Zwischenziel.
In Bulle ist eigentlich geplant, in Richtung Col des Mosses abzubiegen. Leider verhindert eine Straßensperrung dies erfolgreich und auch Garmin findet keine Alternative außer den Jaunpass zurück zu fahren und das Feld von hinten aufzurollen. Ein Umweg von mindestens zwei Stunden wäre mir sicher, also passe ich. In Aigle wäre das das Tagesziel für heute erreicht, zur Not fahre ich den Col des Mosses also einfach morgen. Denke ich da noch.^^
Als Alternativroute fahre ich über Châtel-Saint-Denis und Montreux Richtung Genfersee.
Leider sind die Wetteraussichten nicht gerade die Besten, in Aigle soll es nach einem kurzen Check des Wetterradars den ganzen Abend regnen. Auch Martigny ist von der Prognose her nicht wirklich besser dran, also reift in mir Plan B: rübermachen über den großen St. Bernhard und ins Aostatal. Gesagt, getan. Ich komme bis Bovenier, dann fängt es an zu Schütten. Und zu donnern und blitzen. Ich rette mich zu einer Tanke mit angeschlossenem Coop und überdenke bei einer Tschick und einem koffeinhaltigen Erfrischungsgetränk die Optionen. Das Regenradar zeigt eine kleine Lücke und tatsächlich lässt der Regen nach 20 Minuten nach. Das ist meine Chance! Denke ich. Falsch gedacht. Bereits 10 Minuten später schlägt bei Sembrancher das Gewitter gnadenlos zu. Da ich fast nichts mehr sehe muss ich die Geschwindigkeit deutlich reduzieren, was einen hinter mir befindlichen Peugeot leicht zum auszucken bringt. Dieser überholt mich in einer unübersichtlichen Kurve, knallt fast in den Hang und hat damit auf die harte Tour gelernt, dass ich nicht zum Spaß schleiche. Immerhin habe ich jetzt einen vor mir, an dem ich mich orientieren kann und mit immer noch 40 Sachen und deutlichem Abstand zum Peugeot schleichen wir dann den Berg hinauf, hinter uns haben sich auch noch zwei GS eingereiht, die aber respektvollen Abstand gehalten haben und schön versetzt gefahren sind. Triefend nass, aber immerhin unter der Membran trocken erreichen wir irgendwann den rettenden Tunnel und der Peugeot zeigt uns die Rücklichter. Hinter der Maustelle komme ich mit den beiden slowenischen GS-Fahrern ins Gespräch und einer teilt sogar Kaffee aus seiner Thermoskanne aus. Das ist gerade sehr willkommen, denn frisch ist es in den nassen Klamotten natürlich schon. Die beiden wollen ebenfalls runter nach Aosta, also fahren wir gemeinsam runter ins Tal; den Regen haben wir auf der schweizer Seite gelassen.
Ich biege dort ab Richtung Arvier, in Aosta hat mich keins der halbwegs erschwinglichen Hotels so richtig geflasht. Inzwischen ist es wieder mukkelig warm und meine Kombi ist bald schon wieder fast trocken. Über Saint-Pierre und Villeneuve fahre ich nach Arvier, wo ich etwas abseits der Straße ein schnuckeliges Hotel erblicke. Fragen kostet nichts, also angehalten und rein in die Bude. Ein äterer Herr begrüßt mich freundlich, verneint aber lächelnd die Frage "Parliano tedesco?"... also versuchen wir es mal auf italienisch: "una camera singola per una notte?" - "Si, si". Glück gehabt. Mit Händen und Füßen einigen wir uns auf 50,-- für die Übernachtung inkl. Frühstück. Schwein gehabt.
Das sieht doch ganz ordentlich aus. Sauber ist es auch, also alles richtig gemacht. Nach einer schnellen Dusche wird es höchste Zeit für einen Espresso und die Sammlung von Informationen, wo man denn hier gut zu Abend essen kann.