Mal eine kleine Anekdote über meine Ural"Erfahrungen".
Mein Kumpel Kalle, IMMER gute Laune, früher schon recht verrückt, heute immer noch.
Er hatte (vor ca. 25 Jahren) eine seiner fixen Ideen: Eine Ural musste her.
Der Kauf ging so vonstatten: Auf einem LKW befanden sich
neben-unter-übereinander gestapelt Uralgespanne. Die wurden dann ziemlich"rustikal" abgeladen und standen dann in stark unterschiedlichem Zustand zum Verkauf.
Über den Preis wurde dann zustandsgemäss gefeilscht. Kalle hatte sich eine abgegriffen. Zu Hause angekommen, wurde erst einmal inspiziert. Rostbbrühe am Boot. Offensichtlich wurden die Dinger mal eben im Vorbeigehen lackiert. Alle Unterseiten waren praktisch lacklos. Dann erstmal alle Schrauben nachgezogen. Einige gaben widerstandslos auf. Andere hatten Schraubenköpfe, die ziemlich "unsymmetrisch" waren. Bei Maulschlüsseleinsatz mussten je nach Position 2 Schlüsselweiten verwendet werden.
Irgendwann kam Kalle vorbei und lud mich zu einer Probefahrt ein. Es sollte zum Möhnesee und zurück!!!!!! gehen. Fahrtstrecke ca. 60 km. Die erste Erfahrung kam nach 300 mtr.:
Wir mussten auf die Hauptstrasse einbiegen. Kalle bremste, der Bock schlingerte wie verrückt.
Ich: "Was ist los?"
Kalle brüllte: "Die Bremsen funktionieren nicht oder blockieren!" Mit brutalem Runterschalten klappte es dann doch.
Spätestens da war es mit meinem nicht unerheblichen Mut
geschehen. Hilflos im Boot sitzen und sich auf Kalles unerschütterliches Gottvertrauen verlassen. Auf gerader Strcke ging es dann mit Vollgas und ca. 80 rasant voran. Der Lärmpegel war unbeschreiblich. Die mechanischen Geräusche aus dem Motor brachten mich in die äusserste Ecke des Boots. Ich sah mich schon vom Kolben erschlagen oder von Stösselstangen erdolcht. Kleinste, nicht sichtbare Steigungen brachten erheblichen Speedverlust. Immerhin: Wir kamen bis zum Möhnesee.
Dann die grosse Herausforderung: Für den Rückweg mussten wir den Haarstrang erklimmen. Nicht übermässig steil, für die Ural aber doch.
Die Geschwindigkeit ging fast bis auf Fussgängertempo.Kalle rief mir die Geschwindigkeit in 1km/h Schritten zu. Er hatte sichtbar Spass. Dann: Der rechte Zylinder fiel aus.
Kalle: "Hau mal auf den Kerzenstecker, der fliegt manchmal ab". Hab ich getan. Erkenntnis: Die Russen können Hochspannungszündstrom. Den Kerzenstecker hatte ich dann in der Hand. Der linke Zylinder kollabierte wegen Überlastung.
Angehalten, Kerzenstecker wieder montiert, Kerze gewechselt (war schneeweiss), Motor abkühlen lassen und dann weiter.
Keine Steigungen mehr, alles paletti.
Plötzlich: Kein Vortrieb mehr.
Kalle: " Kein Problem, das kenne ich."
Abgestiegen, er holte schweres Werkzeug aus dem Boot und löste das Problem. Die Hardyscheibe zwischen Getriebe und Kardanwelle war gewandert.
Beim Aufsteigen kurzer Kommentar: "Muss ich mal ändern, vielleicht einfach alles verschweissen."
Dann: Motoraussetzer, immer stärker werdend. Ich schau zum Motor: Rauchschaden im Kabelgewirr. Angehalten.
Nichts ging mehr. Die Karre erstmal in den nächsten Feldweg geschoben.
Rettung kam umgehend. Ein Bauer kam vom benachbarten Acker mit seinem uralten Unimog (farblich passend zur Ural), war restlos begeistert von unserem Urviech. Die Egge abgekoppelt, Seil angeschlagen und dann hat er uns die letzten 8 km nach Hause gezogen.
Wieder vor meiner Garage angekommen, haben wir uns ein (oder waren es mehr?) "Siegerbier" als Triumph über die russische Technik gegönnt.
Da kommt ein älterer Herr mit Gehstock angehumpelt, stellt sich zu uns und sagte: "Sowas haben wir im Krieg in Russland gefahren."
Kalle: "Da komme ich gerade her. Hat länger gedauert, hab mich etwas verfahren."
Klar, dass Kalle in dem serienmässigen Kalaschnikoff-Halfter ein Holzgewehr hatte. Stil muss sein.
Später hat uns dann ein Baum getrennt, der irgendwie zwischen Kalle und mir stand. Wir fuhren dann für etliche Meter getrennte Wege.
Aufgeben? Mitnichten. Das Ganze wurde auf original russische Art mit viel Hingabe wieder gebogen und geschweisst.
Dafür war etwas mehr Bier erforderlich.
Gruss Wolli